Konkreter Hochwasserschutz: Eine Großprofil-Rinne im Bereich Altdorfer Straße/Wienkampsweg (Waddenhausen) soll die Niederschlagsmenge eines Starkregen-Ereignisses kontrolliert abführen. Fotos: Stadt Lage

Lage. Wenn man dieser Tage in der Altdorfer Straße (Waddenhausen) unterwegs ist, könnte man glatt meinen, hier entsteht das Lagenser Pendant zur Elbphilharmonie – nur mit mehr Matsch und weniger Musik. Denn was hier mit Baggern, Rinnen und Retentionsräumen veranstaltet wird, ist nichts weniger als der „Blockbuster des Hochwasserschutzes“. In zehn spannenden Einzelmaßnahmen, liebevoll auch „die glorreichen Zehn“ genannt, wird der Kampf gegen Regen, Schlamm und spontane Teichlandschaften aufgenommen.


Den Auftakt machten zwei beherzte Einsätze des Abwasserbetriebes, unterstützt von der Stadt Lage mit einem Regenrückhaltebecken, das jetzt 600 m³ mehr Regenwasser schlucken kann. Das klingt erst mal abstrakt – aber man stelle sich einfach mal vor, eine Badewanne könne von Zeit zu Zeit – je nach Wetterlage – ein ganzes Schwimmbecken ersetzen. Möglich wird das durch eine eigens für Lage entwickelte „Großprofilrinne“. Ein Wort, das ein bisschen klingt wie ein Superheldenname aus einem Kanaldeckel-Comic. Und tatsächlich: Diese Rinne macht alles mit, was Mutter Natur so vom Himmel schickt – solange es in Litern und nicht gleich hektoliterweise aus den Wolken schießt.

Mutter Erde bekommt Luft zum Atmen

In der Waddenhauser Straße/Ecke Dürerstraße wird nun der nächste Regen-Koloss gebaut: 700 m³ Wasser und Schlamm sollen dort in einem neuen Retentionsraum landen – freiwillig versteht sich. Praktisch ist das auch für den Schlamm, der sich bislang stets ein wenig heimatlos gefühlt hat. Besonders schlau: eine vormals versiegelte Lagerfläche wird entsiegelt. Der Asphalt zieht also aus, und Mutter Erde bekommt wieder Luft zum Atmen. Oder zumindest Wasser gegen den Schönwetter-Durst.

Aber das wahre Highlight kommt erst noch: Das Becken an der Waddenhauser Straße ist ein XXL-Modell mit satten 1.500 m³ Speicherplatz. Ein echter Regen-SUV unter den Rückhaltebecken! Der Boden von Ackerflächen wird wie gewohnt von Starkregen-Ereignissen weggespült, dann aber in würdevoller Weise wieder auf Feldern verteilt. Recycling auf lippisch.

Natürlich richten Abwasserbetrieb und Stadt Lage ein artiges Dankeschön an alle Anwohner – für Geduld, Verständnis und die freundliche Bereitschaft, mal eben das eigene Gartenbeet als Baugrund zur Verfügung zu stellen. Auch die Deutsche Bahn und Straßen NRW sind mit im Boot – wobei zu hoffen bleibt, dass das Boot künftig trocken bleibt.

Rund 570.000 Euro stehen dieses Jahr bereit – ein ordentliches Sümmchen für eine Stadt, die beschlossen hat: „Wenn schon Wasser, dann kontrolliert und bitte mit Ablaufgarnitur!“

2026 geht’s weiter – mit Sommerweg und vermutlich dem einen oder anderen neuen Abenteuer in der Welt der Regenrückhaltung. Wer weiß – vielleicht bekommt der Retentionsraum ja bald auch einen Namen. Vorschläge wie „Beckie McBeckenface“ stehen jedenfalls schon ganz oben auf der Liste.

Die Entsiegelung der Fläche in der Dürerstraße gehört mit zum Plan, Mutter Natur wieder Luft zum Atmen zu verschaffen und sie dazu in die Lage zu versetzen, mal einen über den Durst zu trinken wenn das bei Starkregen-Ereignissen ratsam erscheint.

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Bürgermeister Matthias Kalkreuter (Dritter von rechts) begrüßte die Fachreferenten und Organisatoren Marc Jansen („Kommunal Agentur NRW“, links), daneben Sven Anders und Jan Runte (Fachteam Stadtentwässerung), Walter Kolditz (Ingenieurbüro Redeker), Sven Ranft (Fachteam Stadtentwässerung) und Peter Wingenbach (Firma BIRCO) zur Informationsveranstaltung.

Ortswechsel: Wenn sich rund 20 Fachmenschen und Wetter-Krisenmanager aus ganz NRW versammeln, um über Starkregen zu sprechen, dann weiß man: Es wird ernst. Sven-Plöger-Time oder Harald-Lesch-Expertise mit einem Schuss Apokalypse.

Im Bürgerhaus am Clara-Ernst-Platz ging es dabei weniger um Apokalypse und Kaffeeklatsch, sondern ganz pragmatisch um die Frage: Wie verhindern wir, dass unsere Städte bald nur noch mit dem Boot und nicht mehr mit dem Bus erreichbar sind? Die „Kommunal Agentur NRW“, der Wasserfreund unter den Dienstleistungsunternehmen, hatte zur Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Musterbaustellen in NRW“ geladen – ein Titel, der klingt wie die Bravo-Hits für Tiefbauer.

Lage unter Wasser – aber mit Ablaufgarantie

Matthias Kalkreuter, Bürgermeister mit dem Sinn für Wechselwetter, begrüßte die versammelte Runde und betonte: „Starkregen ist keine Frage des Ob, sondern des Wann – und vor allem des Wo.“ Damit meinte er nicht, dass man zukünftig Schwimmflügel statt Schirmmütze tragen soll, sondern dass Lages Strategie gegen Wassermassen inzwischen so ernst ist wie ein Wetterbericht von Jörg Kachelmann mit eingeschaltetem Capslock.

Den technischen Teil übernahm Diplom-Ingenieur Sven Anders, seines Zeichens Fachteamleiter für Stadtentwässerung und vermutlich jemand, der schon im Kindesalter mit Gummistiefeln in der Badewanne Pläne für Regenrückhaltebecken gezeichnet hat. Mit eindrucksvollem Videomaterial zeigte er, wie das Unwetter im Mai 2023 in Lage nicht nur Gärten, sondern auch Nerven unter Wasser setzte.

Doch Hilfe naht – in Form neu entwickelter Großprofilrinnen. Diese wurden speziell auf die Topographie von Lage angepasst. Oder wie Anders es formulierte: „Endlich eine Rinne, die nicht nur Wasser, sondern auch unsere Erwartungen aufnimmt.“

Nach so viel Theorie durften sich die Teilnehmer in der feuchten Realität sonnen: Auf einer Besichtigungstour ging’s zu aktuellen Bauprojekten in den Ortsteilen. Manche trugen dabei regenfeste Begeisterung zur Schau, andere suchten vorsichtshalber schon mal den nächstgelegenen Sandhaufen für den Eigenbau-Damm.

Fazit: Gemeinsam gegen die Gießkanne von oben

Die Veranstaltung machte deutlich: Gegen Wetterkapriolen braucht es nicht nur Beton und Rohre, sondern auch Köpfe, die trocken bleiben sollten – selbst bei Blitz und Donner. Und während Großprojekte oft eher schleichen als fließen, bleibt ein Punkt klar: Jede Kommune muss sich wappnen – und jeder Anlieger am besten auch. Denn am Ende ist’s wie mit einem Schirm: Wer sich nicht selbst darum kümmert, steht ziemlich sicher im Regen.