Die Konfrontation ist unübersehbar: Der „demokraTISCH“ richtet sich gegen die Partei, die nicht zur Diskussion eingeladen worden ist: die AfD. Sie wird von den Einladern nämlich als undemokratisch bewertet. Auf das Bild klicken, um es zu vergrößern. Fotos: Ferdinand Schmedding

Lage. Noch gut drei Wochen bis zu den Kommunalwahlen: Dazu bietet eine Aktionsgemeinschaft von „Aufbruch C“ bis „SPD“ in gegenderter Form mit „Vertreter:innen“ vier Termine an, in denen sie mit dem Lagenser Wahlvolk ins Gespräch kommen will: „niederschwellig und ungezwungen“. Tatsächlich stehen die Parteien des „DemokratieTISCHes“ in der Kommunalwahl am 14. September als Konkurrenten um Sitze im Stadtrat auf dem Wahlzettel. Was sie eint, ist die Frontstellung gegen die AfD. Diese bislang eher kleine Fraktion im Rat (drei Köpfe von 40) wird offensichtlich als „der große Gegner“ empfunden. Die Grünen haben eine Kampagne gestartet, der sich CDU und SPD im Wahlausschuss angeschlossen haben: Darin wird AfD-Fraktionschef Uwe Detert eine Nähe zur „Reichsbürgerszene“ nachgesagt, gestützt auf Notizen in einem Dossier des Landesverfassungsschutzes.  Das hat Detert die Kandidatur fürs Bürgermeisteramt gekostet: Bislang ist er in allen Bewerde-Instanzen – jüngst beim Verwaltungsgericht Minden – durchgefallen. Trotz der offensiven Einigkeit im Verhältnis zur AfD bemühen sich die Repräsentanten der Aktion mit Blick auf das mögliche Wahlergebnis auch um die Profilierung ihrer eigenen Partei.


KOMMENTAR von Hajo Gärtner

Die Aktion „demokraTISCH“ richtet sich besonders gegen Uwe Detert, der den Einladern als „rechtsradikal verdächtig“ gilt. Detert vertritt sicherlich populistische Positionen und denkt scheinbar nicht gründlich darüber nach, dass geschmacklose Witze ihm und seiner Partei nicht guttun und „Reichsbürger-nahe Posts“ alle beide in ein verdächtiges Licht rücken.

Man sollte aber „Populismus“ und „Rechtsradikalismus“ nicht in einen Topf werfen: Damit dämonisiert man Einstellungen, die von einem nicht gerade kleinen Teil der Bevölkerung hinter vorgehaltener Hand geteilt werden, und verharmlost den wirklichen Rechtsradikalismus, der tatsächlich und durchaus machtvoll jenseits der AfD – und durchaus bis in diese Partei hinein – sein Unwesen treibt: menschenverachtend und gewaltbereit. Noch einmal: Populismus ist nicht gleich diesem Rechtsradikalismus. Mit dem Detert-Bashing tun die Demokratie-Freunde ihrer Sache einen Bärendienst.

Jetzt mal Hand aufs Herz: 15 ehrenwerte „Esser“ am „demokraTISCH“ kürzlich in Kachtenhausen sind ganz nett. Aber das erhoffte große Publikum zieht man so nicht an. Wen interessiert schon die demonstrierte Einigkeit der Aufrechten und Gerechten? Schon im biblischen Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ zieht das eine „schwarze Schaf“ mehr Aufmerksamkeit auf sich als 99 Gerechte. Ein Schlagabtausch mit dem „Bösewicht“ AfD brächte sicherlich Zunder in eine lahme Diskussion. „Wir lieben uns alle“ ist eine tolle Maxime, zieht aber keinen politischen Hering vom Tisch. Die Leute kommen, wenn es kracht und donnert. Und dann besteht die Chance, der AfD potenzielle Wähler abspenstig zu machen, und nicht durch billiges Ausbooten und die Wahlkampf-Gnade, sich überhaupt nicht äußern und festlegen zu müssen. Detert in einer Podiumsdiskussion zu stellen, wäre ein publikumswirksam leichtes Spiel: Alle gegen einen. Da stehen die Chancen für den Einen denkbar schlecht.

Und als „Bürgermeisterkandidat“? Da hätte er erläutern müssen, was er unter  dem AfD-Slogan „Remigration“ versteht und was das für Lage bedeuten soll. Um kommunalpolitsch erfolgreich zu sein, hätte er sich von der „Mutterpartei“ der Höckes und Weidels distanzieren müssen, was ich ihm durchaus zutraue. Er hätte in jedem Fall mehr verloren als gewonnen.

Unterm Strich: Sowohl der Rauswurf aus der Bürgermeister-Kandidatur als auch der Ausschluss vom „DemokraTISCH“ war glatte Wahlförderung für Uwe Detert und seine Freunde. Einfacher hätte man der AfD den Kommunalwahlkampf nicht machen können. Ich erkenne den guten Willen der Akteure voll und ganz an: Aber manchmal verdirbt das angewendete Mittel den Zweck, auch wenn es ihn zu heiligen scheint.