Statue of Liberty: die Freiheitsstatue im Hafen von New York. (links). „Statue of Lipperty“: das Hermannsdenkmal auf der Grotenburg in Detmold. Fotos: Yves Brummel/Pixabay

Detmold/New York. Sie stehen seit mehr als einem Jahrhundert als Zeichen für Freiheit, Identität und nationale Selbstbestimmung – und dennoch trennen sie Welten: geografisch, historisch und kulturell. Auf der einen Seite „Lady Liberty“, stets elegant, mit Fackel in der einen, und Gesetzestafel in der anderen Hand – die Grande Dame unter den Standbildern. Auf der anderen Seite „Hermann“, inklusive Sockel 53 Meter groß, mit Schwert, Helm und einem Blick, der selbst römische Legionen nachhaltig traumatisierte.


Im exklusiven Interview mit der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG sprechen die Statue of Liberty, in unseren Gefilden besser bekannt als Freiheitsstatue, die normalerweise den Hafen von New York bewacht und das auf der Grotenburg bei Detmold stehende Hermannsdenkmal, auch „Statue of Lipperty“ genannt, über ihre Gemeinsamkeiten, Vergangenheit, Wünsche und gegenseitige Besuche.

LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ): Lady Liberty, Hermann – schön, dass wir Sie beide endlich für ein gemeinsames Gespräch gewinnen konnten. Herzlich willkommen zum ersten offiziellen Gipfeltreffen der weltbekannten Großstatuen.
Lady Liberty: Oh, es ist mir eine freiheitliche Fackelfreude.
Hermann: Kein Problem. Ich steh’ eh schon seit 1875 hier rum. Zeit hatte ich.

LWZ: Trotz elf Jahren Altersunterschied haben Sie mehr Gemeinsamkeiten, als man zunächst glauben mag: Sie stehen seit mehr als einem Jahrhundert unbeweglich herum, trotzen Wind und Wetter, ignorieren Touristenfragen und bekommen regelmäßig Taubenbesuch. Aber was ist Ihre jeweilige Bestimmung?
Lady Liberty: Nun, ich habe seit 1886 bereits Millionen von Einwanderern begrüßt. Da ich selbst ursprünglich aus Frankreich stamme, ist mir dies immer ein besonderes Anliegen gewesen. Meine Prinzipien sind daher Freiheit, Demokratie, Hoffnung und offene Arme.
Hermann: Ich stehe auch für Freiheit – allerdings eher mit erhobenem Schwert. Ich vertreibe Feinde, beeindrucke Wanderer und verscheuche Wildschweine mit Blickkontakt. Zudem erinnere ich an die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christus. Damals habe ich – naja, Arminius, mein menschliches Vorbild – drei römische Legionen vernichtet. Ein Wendepunkt der Geschichte! Kein Rom nördlich des Rheins!

LWZ: Was bedeutet Freiheit für Sie?
Lady Liberty: Für mich ist Freiheit ein offenes Versprechen – an Einwanderer, Träumer und alle, die ein neues Leben suchen. Ich halte die Fackel hoch, um zu zeigen: Hier kann Hoffnung wachsen.
Hermann: Für mich bedeutet sie, Herr im eigenen Wald zu sein und nicht unter fremdem Joch zu leben.

 LWZ: Lady Liberty, was beeindruckt Sie am meisten an Hermann?
Lady Liberty: Nun ja, er ist … durchaus präsent. Etwas rustikal vielleicht. Aber ich respektiere jeden, der sein Schwert so lange oben hält. Das ist in dem Alter nicht selbstverständlich.
Hermann: Ich bin standfest. Und du? Du trägst eine Fackel, als ob du gleich die Olympischen Spiele eröffnest. Und das Gesetzbuch in der anderen Hand – das hättest du mal lieber eurem jetzigen Präsidenten schenken sollen!
Lady Liberty: Mit dem will ich schon lange nichts mehr zu tun haben!

LWZ: Zur Politik kommen wir noch. Erst einmal die offensichtlichen Fakten: Wer von Ihnen ist eigentlich größer?
Lady Liberty: (lächelt) Ich bin 93 Meter hoch – inklusive Sockel. Ohne Sockel immerhin noch knapp 46 Meter.
Hermann: (schmunzelt) Dann bist du wohl sowas wie meine „große Schwester“. Ich bringe es auf etwa 53 Meter – aber nur 26,5 Meter davon bin ich selbst. Der Rest ist Sockel. Qualität vor Quantität.
Lady Liberty: Größe ist zum Glück nicht alles.
Hermann: Genau, auf die richtige Schwerttechnik kommt es an!

LWZ: Hermann, Sie empfinden also keinen Neid darauf, dass Lady Liberty Ihnen damals nach nur elf Jahren den Rekord für die höchste Statue der westlichen Welt geklaut hat?
Hermann: Neidisch? Ich? Ich bin ein Cherusker, kein Tourist auf Rekordjagd (grinst). Aber gut – es war schon ein stolzes Gefühl, ein paar Jahre lang „der Größte“ zu sein.

LWZ: Sie sind beide weltberühmt. Nervt der Ruhm manchmal?
Lady Liberty: Absolut. Jeden Tag Fotos, Boote, Möwen. Und ständig schreit jemand: „Oh mein Gott, da ist sie!“ – als ob ich weglaufen könnte.
Hermann: Klar nervt’s, wenn der zwölfte Wanderer am Tag fragt, ob ich „der Bruder von Siegfried“ bin. Oder wenn Leute meinen, ich sei ein „Römer“. Aber Berühmtheit hat auch Vorteile. Was soll ich sagen – besser als vergessen werden.

LWZ: Wenn Sie sich etwas für die Zukunft wünschen dürften – was wäre das?
Lady Liberty: Dass jemand endlich erkennt, dass ich eigentlich nicht winke, sondern den Weg leuchte. Und bitte weniger Möwen.
Hermann: Mal den Arm runternehmen. 150 Jahre Schwert halten – das geht ordentlich auf die Schulter und den Bizeps.

LWZ: Was würden Sie tun, wenn Sie sich einen Tag lang freinehmen könnten?
Lady Liberty: Ich würde nach Paris, in meine alte Heimat, und einen Rotwein mit „Kollege“ Eiffelturm trinken.
Hermann: Ich würde nach Rom, alte Bekannte erschrecken. Vielleicht ein Selfie vorm Kolosseum schießen.

LWZ: Also kein gegenseitiger Besuch?
Lady Liberty: Hey, das ist eine gute Idee! Ich würde dich gerne mal zu einem Baseball-Spiel in die Bronx oder einem American-Football-Spiel nach New Jersey mitnehmen. Oder noch viel besser: Komm doch einfach kommendes Jahr zur Fußball-Weltmeisterschaft rüber!
Hermann: Ja, das mache ich gerne, auch wenn wohl leider kein Arminia-Spieler dabei sein wird. Fußball ist mein Ding, wie du weißt. Du darfst aber ebenfalls gerne vorbeischauen. Dann wandern wir durch den Teutoburger Wald. Ich bringe das Bier mit.

LWZ: Wie versprochen kommen wir jetzt noch einmal kurz auf Politik zu sprechen: Sie beide haben zwei sehr unterschiedliche Ursprünge – aber wurden beide zu nationalen Symbolen. Fühlen Sie sich politisch?
Hermann: Unweigerlich. Ich wurde oft vereinnahmt – von Kaisern, Nationalisten, und manchen, die mich gar nicht richtig verstanden haben. Doch meine Botschaft bleibt: Selbstbestimmung ist kein Relikt, sondern ein Recht.
Lady Liberty: Auch ich war nie nur ein schönes Geschenk aus Frankreich. In mir spiegeln sich die Kämpfe um Bürgerrechte, Gleichberechtigung und die Frage: Wer darf Freiheit für sich beanspruchen? Ich bin Symbol – und Mahnung zugleich.

LWZ: Letzte Frage: Was möchten Sie beide der Welt mitgeben?
Lady Liberty: Hoffnung, Offenheit – und den Hinweis, dass man mich nur mit Reservierung besichtigen darf.
Hermann: Haltung, Geschichte – und festes Schuhwerk. Der Weg zu mir ist kein Spaziergang.


Das Gespräch führte Yves Brummel.