Detmold. Vom Schlüsselanhänger über Adventskalender bis hin zur Briefmarke – der kleine Drache Kokosnuss, der 2002 als Protagonist in einem Kinderbuch sein Dasein begann, erlebt immer noch spannende Abenteuer, die ihn jüngst in die Tiefsee geführt haben. Was ihm dort widerfährt, erfahren Detmolder Kinder am 20. September, dem Weltkindertag.
Auch Kinderbuchautoren werden irgendwann einmal älter. Der Erfinder des kleinen Drachen Kokosnuss Ingo Siegner ist dieses Jahr 60 geworden: „Ich merke, dass der Körper nicht mehr so funktioniert, wie bei einem jungen Menschen, aber das sind normale Prozesse; der Vorsatz ist zwar da, mal etwas weniger zu machen, aber momentan habe ich noch sehr viel Spaß bei meiner Arbeit und es ist auch immer noch das Gefühl da, dass sich etwas Neues entwickelt. Für die Lesungen bin ich viel unterwegs und das liebe ich: Die Welt beobachten, andere Städte und andere Länder kennenlernen.“
Die Lesungen, die im Jahr auf die stolze Zahl von 130 kommen, bezeichnet der Hannoveraner eher als die Würze seines kreativen Schaffens: „Schon als Jugendlicher habe ich gerne Sprachen nachgemacht, Rollenspiele veranstaltet, Geschichten erzählt oder vorgelesen – vielleicht war das der unterschwellige Wunsch Schauspieler zu werden, und diese Lust am Agieren vor Publikum kann ich bestens in meinen Lesungen ausleben.“
Kein Wunder also, dass er eine Auszeichnung zum Lesekünstler des Jahres bekommen hat und seine Vortragskunst als lebendiges Kino bezeichnet wird. Wenn man so viel unterwegs ist wie Ingo Siegner, dann braucht man eine Partnerin an seiner Seite, die damit einverstanden ist: „Meine Frau gönnt mir diese Vortrags-Reise-Lust und sieht mich gerne zufrieden. Ich denke, das tut einer Beziehung auch gut, wenn jeder mal sein eigenes Ding macht. Manchmal reisen wir aber auch zusammen, gerade wenn es Orte sind, die meine Frau schon immer mal kennenlernen wollte.“
Der beliebte Kinderbuchautor, der all seine Geschichten selbst illustriert, hat sein Können autodidaktisch erlernt, seinen vorhandenen Talenten den nötigen Raum gegeben und sie weiterentwickelt. Erst mit Mitte 30 hat sich der Beruf des Kinderbuchautors ergeben und sein Erfolg ermöglicht ihm dieses Künstlerleben. So, wie die ersten Simpsons-Folgen noch ganz anders aussahen als heute, so hat sich auch der kleine Drache Kokosnuss im Laufe der nunmehr 23 Jahre verändert.
Ebenso hat sich seine Schreibkunst entwickelt: „Meine Stärke sind zum Beispiel Dialoge, das bereitet mir sehr viel Freude, da kann ich mehrere Seiten am Tag schreiben; sind es aber beispielsweise Landschaftsbeschreibungen oder das Aussehen eines Leuchtturms von innen – so etwas schiebe ich tagelang vor mir her. Allerdings sind diese Beschreibungen eher minimal, damit dem jungen Leser noch genügend Platz für die eigene Fantasie bleibt. Dieser Raum für die eigene Vorstellungskraft ist auch gerade das Schöne am Buch; ganz im Gegensatz zum Film: Der muss sich von unzähligen Möglichkeiten ja für eine entscheiden“.
Der kleine Drache Kokosnuss ist als Kinofilm und als Fernsehserie entwickelt worden – computeranimiert, so wie es die digitale Generation gewohnt ist, aber nicht so charmant, wie es die Zeichnungen sind.
Unter Schreib- oder Malblockaden leidet Siegner nicht – wenn sie da sind, akzeptiert er sie und weiß aus Erfahrung, dass sie sich wieder verflüchtigen. Seine Herangehensweise zeichnet sich durch eine Mischung aus Struktur und Spontaneität aus: „Ich mache mir zu Beginn immer ein Konzept, das aber nicht zwingend bis zum Ende ausgearbeitet ist, denn im Schreibprozess bekommt die Geschichte eine eigene Dynamik und kann sich dann durchaus auch von der ursprünglichen Idee entfernen.“
Alles, was den Autor umgibt, ist potenziell geschichtentauglich, so wird beispielsweise in einem Abenteuer der Rattenkinder Eliot und Isabella statt Leberwurst vegetarischer Aufstrich verlangt, und da sitzt Ingo Siegner an der Quelle, denn seine Frau stellt variationsreiche, vegetarische Aufstriche her. Sich während einer Geschichte von neuen Ideen überraschen zu lassen, das liebt der Hannoveraner sehr.
Ein aktuelles Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover, die ein Bewegungsprogramm für Grundschulen entwickelt hat; dazu wird Siegner begleitend die Geschichte vom Erdmännchen Willy schreiben, ein Tier, das sehr gerne isst, vor allem Fastfood und davon jede Menge. Das schafft Probleme, die Erdmännchen Willy natürlich gerne wieder loswerden möchte. Auf geschickte, spielerische Weise wird in dieser Geschichte die Freude an gesundem Essen und vor allem die Freude an der Bewegung aktiviert.
Wenn Ingo Siegner drei Wünsche frei hätte, würde er sich mehr Muße, Gesundheit für sich und seine Frau wünschen und dann unbedingt, dass die Autokraten dieser Welt mal endlich von der Bildfläche verschwinden!
Am Weltkindertag, dem 20. September, liest Ingo Siegner beim Kinder- und Jugendliteraturfest Detmold in der Aula der alten Schule am Wall aus seinem Buch „Der kleine Drache Kokosnuss in der Tiefsee“.