Renate Lübbing zeigt ihre große Plastik des „Gestiefelten Katers”, die jetzt am Buswendeplatz am Albernberg steht. Fotos: Reiner Toppmöller

Kreis Lippe/Kalletal-Talle. Weihnachtszeit ist Märchenzeit: gemütlich auf dem Sofa sitzen und den fantastischen Geschichten lauschen. Wer kennt das nicht? So war es früher und so möchte man es auch gerne weitergeben.


Geprägt von ihren Erinnerungen und voller Ideen, diese märchenhaften Dinge umzusetzen, hat sich die Kalletaler Künstlerin Renate Lübbing vor Jahren auf die Reise gemacht, aus ihrem Ort eine zauberhafte Welt zu machen – und das nicht nur zur Winterzeit.

„Wer mich kennenlernen will, muss meinen Garten kennen. Denn mein Garten ist mein Herz.“ Dieser Spruch, der auf einem alten Kehrblech geschrieben im Baum an der Terrasse ihres Hauses hängt, sagt viel über die Tallerin Renate Lübbing aus. Bis vor einigen Jahren führte die agile Ruheständlerin noch ein mittelständisches Unternehmen in Bad Salzuflen. Im Ruhestand entdeckte sie ihre kreative Ader, den Blick für schöne Hölzer hatte sie schon lange Zeit vorher. In ihrem Betrieb wurden hochwertige Furniere hergestellt.

So startete die heute 82-Jährige vor rund zehn Jahren ihr Projekt „Märchenhaftes Talle“ in ihrem Garten, zunächst mit Hölzern, die sie von ihren Reisen durch die Welt mitgebracht hatte.

Bei Peter Marquardt in Melle startete sie als 60-Jährige mit der Holzbildhauerei. Schnell schaffte sie sich eine kleine Werkstatt an und begann, ihre Skulpturen zu erschaffen. Sie sprühte vor Ideen, die ihr bis heute nicht ausgegangen sind, immer wieder entstehen neue Skulpturen. Unternehmerisches Denken und Handeln bestimmen immer noch ihr Leben, auch wenn sie ihre ganze Energie jetzt auf ihre Kunst ausgerichtet hat. So entstanden unter anderem aus einer alten Haselnuss die „Taller Berggeister“, die sich am Wendeplatz am Ortseingang von Talle befinden.

Dort hatte sie bereits die drei Kopfskulpturen „Homunkulus”, „Europa” und die „Taller Sonne” installiert, die sie den Taller Bürgern schon zuvor geschenkt hatte. Homunkulus ist eine Schöpfung Goethes in Faust. „Goethe ist so als Weltbürger ein Teil Talles geworden, genauso wie die Europa mit ihren Strähnen. Und da alle Taller auch ein Teil der Sonne und damit der Schöpfung sind, symbolisiert der dritte Kopf den Sonnenschein von Talle“, sagt die überzeugte Anthroposophin Renate Lübbing freudig über ihre Werke.

Sie verkauft ihre Kunst nicht, sondern hat in den vergangenen Jahren das Kalletaler Dorf immer weiter in die Märchenwelt getragen. Mit handgemalten Kacheln am Dorfgemeinschaftshaus, mit Motiven der bekanntesten Grimms Märchen zum Beispiel, oder der Figur „Rumpelstilzchen tanzt vor der Flamme“ vor dem Feuerwehrgerätehaus oder der großen Plastik des „Gestiefelten Katers” am Buswendeplatz am Albernberg, der in der Phase ihres Studiums in der Kunstakademie bei Doris Stahnke in Lage entstand.

Der Kater ist die bisher aufwändigste Arbeit der Künstlerin und wurde in einem Stück aus PVC gebildet. Danach wurde er mehrfach mit Harzmatten überzogen, geschliffen und bearbeitet, bis seine endgültige Form entstand. Mit rund zwei Millionen haarfeinen Strichen wurde er zum Leben erweckt.

Und nicht zuletzt der Erinnerungsstein zum 800-jährigen Jubiläum des Dorfes im Berggarten, der in der Werkstatt von Steinmetz Helmut Schön in Salzuflen-Wüsten entstand. Im Zuge der Feierlichkeiten zum Dorfjubiläum entstand der Gedanke, zusätzlich Skulpturen für die Taller Straßen zu erstellen. Als weiteres Kunstobjekt zum 800-jährigen Jubiläum des Bergdorfes hatte die Künstlerin danach 16 Skulpturen für die Dorfstraßen gefertigt.

Zu jeder Skulptur gab es bei der Übergabe an die Paten jeweils eine märchenhafte Geschichte mit Illustrationen der Künstlerin. Diese Geschichten um die Skulpturen hielt die Künstlerin in einem kleinen Buch mit den dazu gehörenden Zeichnungen fest. Insgesamt kamen so 244 Seiten zusammen.

Mithilfe von LWZ-Reporter Reiner Toppmöller, der ursprünglich eine Ausbildung zum Lithografen absolviert hatte und als Meister auch jahrelang in dem Beruf tätig war, wurde das kleine Handbuch digitalisiert, die Bilder fachmännisch bearbeitet und in einer sehr kleinen Auflage gedruckt und gebunden.

Renate Lübbing überreichte jeder Familie eines der Bücher. Inzwischen ist die Nachfrage nach diesem Märchenbuch so groß, dass es bereits die dritte Auflage gibt.

„Ich möchte den Menschen einfach etwas Schönes geben“, sagte sie zu ihrer Schaffenskraft und wird wohl nicht aufhören. Die Ideen gehen ihr dabei nicht aus, denn im Wald neben ihrem Grundstück hat sie Baumstümpfe gefunden, in denen sie Schneewittchen und die sieben Zwerge sieht.