
Horn-Bad Meinberg/Leopoldstal. Im August ist LWZ-Reporter Dennis Mattern mit seiner Familie auf Friedensreise zum Roten Platz nach Moskau aufgebrochen. Die LIPPISCHE WOCHENZEITUNG berichtete in einem Erlebnisbericht über die erste Etappe mit dem Friedensmobil.
Mit der Ankunft am Roten Platz setzten sie ein Zeichen des Friedens. Die Reise führte den Redakteur von dort aus weiter gen Süden. In einem zweiten Reisebericht erzählt Dennis Mattern nun vom weiteren Verlauf der Friedensreise.
Mit voller Geschwindigkeit durch einen russischen Kontrollposten
Die Weiterreise aus Moskau führt uns in Richtung Süden zu einer vermittelten Wohnung in Rossosch. Hier übernachten wir mitten in einem Plattenbauviertel, ehe uns die Reise mit dem Friedensmobil über die Grenznähe zur Ukraine weiter zum Schwarzen Meer führt.
Wir beobachten zwar ein erhöhtes Aufkommen von Militärfahrzeugen mit dem bekannten „Z-Symbol“, ansonsten erscheint hier alles alltäglich und ruhig. Doch dann bei Kantemirowka der Schreckmoment: Während wir kurz bei der Autofahrt auf die Karte schauen, übersehe ich auf der anderen Straßenseite einen Kontrollposten mit Polizei und Militär.
Nur im Augenwinkel registriere ich noch, wie die drei Beamten in Militärkluft die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Ich halte circa 100 Meter hinter dem Posten am Seitenrand an und ein Soldat kommt zum Fenster. Ich gebe ihm meinen Führerschein und er zeichnet mit seinem Finger ein Kreuz darauf, soll heißen: Führerscheinentzug und Bußgeld.
Anstatt erlaubte 10 km/h sind wir unbeabsichtigt wie Bonnie und Clyde mit 100 km/h voll durch den Kontrollposten „gerast“. Doch die Situation nimmt nach einigen Gesprächen eine glückliche Wendung. Der Soldat weiß, uns nicht nach russischem Recht zu behandeln und kommt ins Straucheln. Er erfährt über das Friedensmobil von unserer Friedensreise und schmunzelt pflichtbewusst und doch innerlich hadernd – für ein bisschen Handgeld und ein gut gemeintes Schulterklopfen ist unsere Weiterfahrt gesichert und ich darf meinen Führerschein behalten.
Vom Schwarzen Meer zum Berg der Götter
Der Weg führt uns weiter nach Anapa ans Schwarze Meer. Hier verbringen wir zwei Tage in einer der seltenen Schetinin-Schulen. An dieser Privatschule wird der gesamte Schulstoff aus zehn Jahren mit speziellen Lehrmethoden bereits in zwei Jahren erfolgreich vermittelt.
Wir werden durch den Unterricht geführt, führen viele Gespräche und ein Interview mit der Schulleitung und Russlanddeutschen. Während unseres Aufenthaltes erhalten wir tiefe Einblicke in das russische Schulsystem und sind etwas überrascht, als wir in einem Klassenzimmer eine Deutschlandfahne hängen sehen. Wir erfahren, dass das Verhältnis zu Deutschland geschätzt und hier als respektvoll und auf Augenhöhe betrachtet wird.
Wir stellen uns final der gesamten Schulgemeinschaft und einigen Lehrern für eine Fragestunde über Deutschland und unsere Friedensmission. Dann führt uns die Reise weiter durch den wunderschönen Kaukasus nach Georgien und erneut an die Schwarzmeerküste. Hier verarbeiten wir zunächst die intensive Zeit in Russland und besichtigen in Gonio die älteste Festung am Schwarzen Meer mit dem Grab des heiligen Apostels Matthias.
Die schlechten Straßenverhältnisse und die Verkehrsmentalität fordern uns heraus. Hier fährt jeder, wie er mag, Verkehrsschilder gelten mehr als Fahrbahn-Dekoration. Auf einem Campingplatz lernen wir Mischa und seine hochschwangere Frau kennen. Sie stammen aus dem Ural-Gebirge und haben Angst, dass Mischa vom russischen Militär eingezogen wird.
Mit einem Wohnwagen sind sie auf unbestimmte Dauer unterwegs und planen die Geburt ihres ersten Kindes im georgischen Batumi. Auch andere Familienmitglieder sind gerade auf Reisen, da sie alle die Entwicklung eines womöglich rabiateren Pflichteinzuges für die Männer, wie es in der Ukraine berichtet wird, fürchten und nicht als junge Familie auseinandergerissen werden wollen.
Als sie von der Friedensreise erfahren, sind sie sichtlich angetan und überweisen uns spontan einen Friedensbeitrag in Dollar für die Weiterreise in die Türkei. Auch die Friedensbotschaften mehren sich von Land zu Land. Zu diesem Zeitpunkt werden wir stark geprüft, denn wir erreichen die türkische Grenze ohne einen einzigen Euro an Reisebudget.
Doch unser Vertrauen zahlt sich aus, denn noch am selben Tag des Grenzübertritts und damit genau zur rechten Zeit klingelt erneut die Friedenskasse und die Reise kann nahtlos fortgesetzt werden. Wir besichtigen zunächst bei Katha den Berg Nemrut Dagi, auch als Berg der Götter bezeichnet, der uns vorab vieles abverlangt und uns herausfordert. Das monumentale Heiligtum ist bekannt für das Grabmal von König Antiochos I. und die Riesenstatuen auf cica 2.200 Meter Höhe, die die westliche und östliche Kultur vereinen sollen.
Sanliurfa – Stadt der abrahamitischen Weltreligionen
Dann führt uns die Reise weiter nach Sanliurfa und damit nach Mesopotamien. Die Stadt im Südosten der Türkei liegt nicht unweit der syrischen Grenze und wird hauptsächlich von Arabern und Kurden bewohnt. Wir besichtigen einen der ältesten Basare der Welt und lernen die kurdische Gastfreundschaft kennen.
Diese führt dazu, dass wir eine kostenlose Wohnung für unseren Aufenthalt in der Stadt gestellt bekommen. Unsere Friedensreise spricht sich in Windeseile in der Wohnsiedlung herum und wir erhalten laufend Einladungen zum Essen oder bekommen Geschenke an die Tür gebracht. Die Gastfreundschaft und Wertschätzung kennen hier kaum Grenzen und das berührt uns sehr. Wir erfahren von einigen Schicksalsschlägen aus dem Syrienkonflikt, bekommen Einschusswunden gezeigt und erleben die hohe Dankbarkeit gegenüber Deutschland für die Aufnahme von Flüchtlingen während dieser schweren Zeit.
Nicht selten warten die Leute darauf, bis wir tagsüber das Haus verlassen, damit sie uns ansprechen können. Ein Nachbar nimmt uns mit in die Autowerkstatt, da unsere Warnleuchte für die Bremse sich meldet. Hier bekommen wir für gerade einmal 187 Euro vier neue Bremsscheiben samt Belägen getauscht.
In Sanliurfa besichtigen wir Abrahams Geburtshöhle, den heiligen Fischteich, die Ausgrabungsstätte Karahan Tepe und den biblischen Ort Harran. Abraham gilt als Stammvater des Christentums, Judentums und des Islams und vereint in seiner Rolle und Schnittstelle die drei Weltreligionen. Das Ziel, Frieden aus einer geschichts-religiösen Perspektive zu betrachten, halten wir filmisch fest, ehe es weiter nach Kapadokien und damit zum letzten Ziel unserer Friedensreise geht.
Derinkuyu – die weltweit größte unterirdische Stadt
Im wunderschönen Kapadokien erwartet uns Derinkuyu, die weltweit größte unterirdische Stadt. Diese umfasst ein riesiges Tunnelareal mit unterschiedlichen Kammern auf 25 Stockwerken und Platz für circa 20.000 Menschen unter der Erde. Hier gibt es Wohnräume, Küchen, Weinkeller, Ställe, Kirchen, Quellen, Belüftungssysteme, Bäder und einen Friedhof zu sehen, die früher in Kriegszeiten als Zufluchtsorte für Christen und Hetither galten – Erbauer unbekannt.
Für die Kinder ist es ein großes Abenteuer, mit Taschenlampen. Dann haben wir es geschafft. Alle gesetzten Ziele sind erreicht und wir begeben uns auf den Heimweg. Dank der vielen Friedensbeiträge fühlen wir uns auch während der 3.300 Kilometer langen Heimfahrt wie auf Händen getragen und können die Friedensreise vollumfänglich gedeckt, mit mehr als 15.000 Euro Spenden erfolgreich abschließen.
Am Ende waren wir 111 Tage unterwegs, sind insgesamt durch elf Länder gefahren und haben eine Strecke von rund 11.000 Kilometer mit dem Friedensmobil zurückgelegt. Nun wollen die vielen Aufnahmen von den Erlebnissen der Reise zu einem neuen Dokumentarfilm produziert werden. Doch zunächst einmal lassen wir nach der langen Reise das Weihnachtsfest im trauten Heim kommen, ehe es im Jahr 2026 mit dem Filmprojekt weitergeht.
Fotos:
Besuch in der Schetinin-Schule: Anne Mattern zeigt den Schülern Fotos aus der Heimat. Im Hintergrund hängt eine Deutschlandfahne im Klassenzimmer.
Fragestunde in der Schetinin-Schule: Dennis Mattern beantwortet den neugierigen Schülern und Lehrern Fragen zur Reise und über Deutschland.
Das Friedensmobil erreicht das Schwarze Meer: Insgesamt ist es 11.000 Kilometer durch elf Länder gefahren worden.
Nemrut Dagi: Besichtigung der Riesenstatuen auf dem Berg der Götter.
Zu Gast bei Kurden: Häufig wurde die Familie zum Essen eingeladen. Traditionell saß man dabei auf dem Boden.
Karahan Tepe: Die Gegend um Sanliurfa gilt mit seinen vielen Ausgrabungsstätten als Wiege der Menschheit.
Kapadokien: In Derinkuyu wurde die größte unterirdische Stadt der Welt besichtigt.
Harran: Besichtigung der bienenstöckigen Häuser.









