Angedacht: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

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Dieter Lorenz, Superintendent im Ruhestand. Fotorechte: Lorenz

In einer Sitzungspause machte ich einen kurzen Spaziergang zum Alexanderplatz in Berlin. Unterwegs las ich in großen Buchstaben auf einer Hauswand: „You will never know, if You never go“ (Du wirst nie erfahren, was sein könnte, wenn Du Dich nicht auf den Weg machst).

Dieser Satz begleitet mich seit dem. Oft scheuen wir uns vor neuen Erfahrungen, halten lieber am Gewohnten fest. Da weiß man, woran man ist. Lieb gewordene oder mir als Kind mit auf den Weg gegebene Verhaltensmuster geben Sicherheit. Aber ist das Leben nicht auch langweilig, wenn Überraschungen keinen Platz mehr haben, wenn das Morgen einfach immer nur die Wiederholung des Gestern ist?

Schon das alte Wanderlied aus dem 19. Jahrhundert macht dies in einer seiner Strophen zum Thema: „Mancher hinterm Ofen sitzt und gar fein die Ohren spitzt, kein Stund vors Haus ist kommen raus; den soll man als Gesell erkennen oder gar als Meister nennen, der noch nirgends ist gewest, nur gesessen in seinem Nest?“

Sich auf neues, unbekanntes Terrain zu begeben, ist immer ein Risiko. Man kann Enttäuschungen erleben, aber auch den Aufbruch in eine Welt voller Entdeckungen, die dem Leben ganz neue Farben geben und ungeahnte Lebenswelten aufschließen. Das alles wird man aber erst erfahren, wenn man diesen Schritt wagt.

So ist es übrigens auch mit der Frage nach Gott. Ob Gott nur das Ergebnis religiöser Weltflucht ist oder aber als Schöpfergott geglaubt werden kann, das kann man nicht durch kluges Nachdenken am Schreibtisch herausfinden. Man muss es konkret wagen, Gottvertrauen im eigenen Leben Raum zu geben, um zu erfahren, ob dieses Wagnis sich gelohnt und meinem Leben neue Horizonte aufgetan hat.

Als Jesus damals Petrus und den anderen Jüngern überraschend und unerwartet zurief: „Folgt mir nach!“, da haben sie nicht lange diskutiert und das Für und Wider abgewogen, sondern haben diesen Schritt ins noch Ungewisse getan. Erst als sie an seiner Seite unterwegs waren, haben sie nach und nach erfahren, dass dieser Jesus nicht einer von vielen Gurus jene Zeit war.

Es hat zwischendrin immer wieder auch Irritationen und Zweifel gegeben, aber sie spürten mehr und mehr, dass mit diesem Jesus Gott selbst mit ihnen war und ihrem Leben ganz neue Kraft, Zuversicht und Lebensmut schenkte. Nur weil sie losgegangen und aus ihrem alten Leben aufgebrochen waren, konnten sie diese Entdeckung machen.

Ob Gott existiert oder nur eine Fata Morgana ist, ob Gottvertrauen dem Leben Halt gibt oder nur mangelndes Selbstvertrauen widerspiegelt – „You will never know, if You never go!“