Detmold. Nach ungezählten Inszenierungen und 16 Jahren im Dienste der Hochschule für Musik Detmold heißt es Abschied nehmen. Doch bevor Professor Thomas Mittmann in den Ruhestand geht, lässt der Leiter der Opernschule und Professor für Szenischen Unterricht es noch einmal so richtig krachen.
Nicht mit Böllern, nein, sondern rein musikalisch mit Csárdás, Polka und Walzer. Und womit ginge das besser, als mit seiner Lieblingsoperette: der „Fledermaus“ von Johann Strauß. Einem Paradestück, mit der der ausgewiesene Operettenspezialist seinerzeit übrigens auch seinen Einstand in Detmold gab.
Frech, witzig und bisweilen auch frivol
Anders, als es der Titel vielleicht vermuten lässt, geht es in diesem Stück nicht um die realen Flugtiere, sondern um das Faschingskostüm eines gewissen Herrn Dr. Falke, das ihn nach einer durchzechten Nacht zum Gespött der Passanten macht. Das wiederum schreit nach Rache.
Und von dieser erzählen die drei Akte der Operette, in denen sich das Publikum auf rund zweieinhalb Stunden erotische Verwechslungen, turbulente Intrigen und reichlich Schadenfreude sowie rauschende Orchesterklänge, rasante Vokalpartien und „ein opulentes Kostümfest“ freuen kann.
„Da ist tierisch was los“, sagt Thomas Mittmann, der bei all dem ausufernden Budenzauber und Amüsement auch auf die unterschwellige Ebene der Geschichte verweist: Da sind etwa die ewige Suche nach dem Glück, das Vergessen im Rausch oder die Identitätswechsel als Flucht vor dem Alltag.
Die wohl berühmteste Operette des Walzerkönigs Johann Strauß lässt schwelgerische Klänge und tragische Einzelschicksale aufeinanderprallen und ist keineswegs so naiv wie oft angenommen.
Fremdschmusen, was das Zeug hält
Trotz aller Doppelbödigkeit ist und bleibt „Die Fledermaus“ jedoch eine große singende Sause – locker daherkommend, funkelnd vor begeisternden kompositorischen Einfällen und mitreißenden Melodien. Ja, die wahnwitzige Königin der Operetten ist ganz nach Thomas Mittmanns Geschmack.
Und wie es Dingen häufig zu eigen ist, die wie aus dem Ärmel geschüttelt wirken, ist auch bei der „Fledermaus“ das Leichte das Schwere. Mögen sich der Stoff und die Musik eingängig geben, so sind sie in der Umsetzung doch höchst anspruchsvoll. Noch so etwas, das zu Thomas Mittmanns Stärken zählt: Leicht zu sein, ohne seicht zu werden. Geschmack zu beweisen. Sentimentales mit Eleganz zu sublimieren. Überzogenen Gags und schriller Performance aus dem Weg zu gehen.
Stattdessen geistreich, augenzwinkernd und spielerisch die Inhalte auf den Punkt zu bringen. Und zu alledem seinen Studierenden dieses Know-how auf die ihm eigene humorvolle und ganz und gar nicht schulmeisterhafte Weise erfolgreich zu vermitteln.
Paradestück der goldenen Operettenära
So also beflügelt und inspiriert ein ganzes Team sich gegenseitig, um den durch seine aberwitzigen Turbulenzen und Techtelmechtel schwindelig machenden Plot adäquat auf die Bühne zu bringen. Es versteht sich von selbst, dass nach ausschweifendem Drunter und Drüber schlussendlich jegliche Verwirrungen wieder aufgedröselt sein werden und alles mit Champagner begossen wird.
Währenddessen feilen Gesangssolisten, Hochschulorchester und -chor unter der Leitung von Fabio Vettraino daran, die unsterblichen Strauß’schen Melodien lustvoll federn und pulsieren zu lassen. Noch ein letzter musikalischer Feinschliff hier. Und ein bisschen ausstattungstechnische Anreicherung dort. Dann kann sich der Vorhang für die Operette der Operetten heben.
Und – so viel sei noch hinzugefügt: Obwohl er im Laufe seiner Amtszeit so etwas wie das Gesicht der Opernschule geworden sind, waren es immer seine Studenten, die er in den Vordergrund gestellt hat. Selbstdarstellung liegt Thomas Mittmann nicht.
In Szene gesetzt hat er stets eine Oper, eine Operette, einen Werkstattabend und deren – wie es Natur eines Hochschulbetriebs ist – ständig wechselnden Besetzungen. In seinem Ade-Stück tut er es nun doch einmal. Auf der Bühne erscheinen. Ins Rampenlicht treten. Theaterbesucher dürfen sich überraschen lassen.
Zu erleben ist „Die Fledermaus“ am Freitag, 28. Juni, um 19.30 Uhr sowie am Sonntag, 30. Juni, um 18 Uhr im Landestheater Detmold. Eintrittskarten kosten 32, 26, 22 und 16 Euro (Studenten/Schüler 16, 13, 11 und 8 Euro. Erhältlich sind sie an der Theaterkasse des Landestheaters. Einführungsvorträge um 18.45 Uhr (28. Juni) sowie um 17.15 Uhr (30. Juni) stimmen auf den Operettenabend ein.
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