Olympische Spiele 2024 in Paris: Taekwondo-Boom auch beim TBV Lemgo

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Das Trainerteam der TBV-Taekwondo-Abteilung: (von links) Sophia Stepanova, Chiara Zagorny, Sebastian Zagorny und Max Riedigier. Foto: TBV Lemgo 1911

Kreis Lippe/Lemgo. Die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris beginnen an diesem Freitag. Vom 26. Juli bis zum 11. August kämpfen dann in der französischen Hauptstadt mehr als 5.000 Athleten aus 48 Nationen in 32 Sportarten um 329 Goldmedaillen.

Auch Taekwondo ist erneut im Wettkampfprogramm vertreten. Bereits seit den Sommerspielen von Sydney im Jahr 2000 ist die Kampfsportart Teil von Olympia.

Im Kreis Lippe betreiben ebenfalls zahlreiche Sportler Olympisches Taekwondo, unter anderem in der Taekwondo-Abteilung des TBV Lemgo 1911. Seit 2019 ist sie eine durch die Deutsche Taekwondo Union (DTU) durchgehend zertifizierte Fachabteilung und feierte vor kurzem ihr fünfjähriges Bestehen. „In unserer Turnhalle an der Lemgoer Südschule (Am Stiftsland 8) bieten qualifizierte Trainer ein modernes Training mit hohen Trainingsstandards gemäß den Richtlinien des Verbandes an“, erklärt Sebastian Zagorny.

Er zählt neben seiner Tochter Chiara, Sophia Stepanova und Max Riedigier zum Trainerteam des TBV und ist vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) lizenziert. Im Mai dieses Jahres legte er erfolgreich die Prüfung zum vierten Dan im Taekwondo ab. Dadurch erhielt er den sogenannten Lehr-Dan-Grad und ist der erste und einzige Lipper, der die höchste Taekwondo-Dan-Graduierung der DTU trägt.

Im Interview mit der LIPPISCHEN WOCHENZEITUNG spricht Zagorny unter anderem über die Anfänge der TBV-Taekwondo-Abteilung, typische Trainingsinhalte und die Unterschiede zu anderen Kampfsportarten.

Sebastian Zagorny (Dritter, von links) präsentiert seine neue Taekwondo-Graduierung im Beisein der gesamten DTU-Prüfungskommission. Foto: TBV Lemgo 1911

Lippische Wochenzeitung (LWZ): Herr Zagorny, erst einmal alles Gute zum fünfjährigen Jubiläum der Taekwondo-Abteilung des TBV Lemgo 1911 und Ihnen persönlich zum Erreichen des vierten Dan. Nehmen Sie uns doch einmal mit zu den Anfängen im Jahre 2019: Wie ist es damals zur Gründung gekommen?
Sebastian Zagorny: Vielen Dank für die Glückwünsche. Damals habe ich in einigen Taekwondo-Vereinen mittrainiert und teilweise Training gegeben, bis ich irgendwann den Drang verspürte, mich selbst als Trainer zu verwirklichen und eigene Sportler und künftige Trainer auszubilden. Mit meiner Kontaktaufnahme zum TBV Lemgo 1911 fand ich schließlich den perfekten Partner für eine neue Taekwondo-Abteilung und alles nahm seinen Lauf.

LWZ: Wie lange betreiben Sie selbst schon Taekwondo und wie sind Sie zu dem Sport gekommen?
Zagorny: Aktiv betreibe ich Taekwondo seit nun fast 17 Jahren als Sportler und seit nunmehr zwölf Jahren auch als Trainer. Geprägt wurde ich wie viele Kampfsportler in meinem Alter von Kampfsportlern wie Bruce Lee und Jackie Chan oder Filmen wie „Karate Tiger“. Doch die allerersten Berührungspunkte mit Taekwondo hatte ich tatsächlich mit zehn Jahren im Leichtkontakt-Taekwondo bei Ulf Schmidt in Bielefeld, einem der herausragendsten deutschen Taekwondo-Kämpfer und -Trainer.

LWZ: Hatten Sie weitere Lehrmeister?
Zagorny: Ja! Später, als ich dann mit 25 Jahren mit dem Vollkontakt-Taekwondo anfing, prägte mich mein damaliger Trainer Yilmaz Helvacioglu, ein echtes Ausnahmetalent im Taekwondo-Sport und einer der bekanntesten Taekwondo-Trainer Deutschlands.

LWZ: Wie viele Mitglieder hatte die Lemgoer Taekwondo-Abteilung zu Beginn und wie hat sich die Zahl über die vergangenen fünf Jahre hinweg entwickelt?
Zagorny: Unser erstes Training hatten wir am 1. April 2019 mit genau fünf Mitgliedern, davon zwei Erwachsene und drei Kinder. Eine super kleine Gruppe, wenn man es im Nachhinein betrachtet. Innerhalb der ersten Monate wuchs die Mitgliederzahl in unserer Taekwondo-Abteilung auf knapp 60 Mitglieder an und dann kam die Corona-Pandemie.

LWZ: Ein heftiger Einschnitt.
Zagorny: Ja, während der Pandemie mussten wir völlig neue Wege gehen und unser Training digital ausrichten. An diesen Live-Trainings nahmen dann teilweise unfassbare 100 bis 120 Personen teil. Während der gesamten Pandemie befand sich unsere Taekwondo-Abteilung auf einem konstanten Wachstumskurs, was unglaublich war.

LWZ: Also hat die Corona-Pandemie Ihnen sogar eher mehr Zulauf gebracht?
Zagorny: Genau. Trotz einiger Mitgliederabgänge in den vergangenen Jahren können wir heute über eine noch stabilere Mitgliederzahl sprechen als vor der Pandemie. Aktuell ist die Nachfrage sogar so groß, dass wir bei den Kindern (sieben bis 14 Jahren) einen Aufnahmestopp haben; die Wartezeit beträgt in dieser Altersgruppe knapp vier Monate. Das ist der Wahnsinn!

LWZ: Wie und wo können sich Interessierte dennoch bei Ihnen anmelden? Gibt es gewisse Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen?
Zagorny: Interessierte können sich entweder direkt per E-Mail an mich wenden oder aber auch die Geschäftsstelle des TBV Lemgo 1911 kontaktieren. Zudem müssen Interessierte zwischen sieben und 99 Jahre alt sein und ordentlich Spaß am Training mitbringen.

LWZ: Apropos Spaß am Training. Wie sieht eine typische Taekwondo-Trainingswoche bei Ihnen aus?
Zagorny: Eine typische Trainingswoche ist bei uns recht überschaubar. Wir trainieren an zwei Trainingstagen in der Südschule Lemgo: dienstags von 16.45 bis 18.15 Uhr und freitags von 17 bis 22 Uhr. Die Gruppengröße beim Kindertraining variiert je Trainingseinheit zwischen 35 und 45 Kindern und bei den Erwachsenen zwischen acht und 15 Teilnehmern. Die Trainingsintensität richtet sich ganz nach den Mitgliedern und deren Graduierungen. Da ist für jeden was dabei, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittener.

Sebastian Zagorny mit seiner neuen Taekwondo-Graduierung. Foto: TBV Lemgo 1911

LWZ: Am Freitag beginnen die Olympischen Sommerspiele in Paris. Taekwondo ist seit 2000 olympisch. Welche Voraussetzungen muss ein Sportler mitbringen, um bei Olympia teilzunehmen?
Zagorny: Um an den Olympischen Spielen im Taekwondo teilzunehmen, müssen Athleten verschiedene Qualifikationskriterien erfüllen. Diese Kriterien werden vom Taekwondo-Weltverband (World Taekwondo) und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) festgelegt. Zu den wichtigsten Kriterien zählen unter anderem ein Mindestalter von 18 Jahren und der Besitz eines registrierten Kukkiwon Dangrad (Meistergrad des World Taekwondo Headquarters) im Taekwondo sowie entsprechende Qualifizierungen durch Turnierteilnahmen.

LWZ: Sehen Sie bei sich in der Abteilung das Potenzial, irgendwann Athleten zu Olympia zu schicken, beziehungsweise haben Sie den Anspruch, Sportler entsprechend auszubilden?
Zagorny: Die überwiegende Menge unserer Taekwondoin betreibt Taekwondo als Breitensport. Natürlich liegt auch unser Fokus auf dem Olympischen Taekwondo-Zweikampf, der für unseren Sport sehr wichtig ist. Als Trainer hat man zwar gewisse Ansprüche und Vorstellungen, man sollte jedoch nicht alles auf eine Karte setzen und sich nur auf ein einziges Turnier fokussieren. Im Taekwondo gibt es viele Turniere, egal ob Landes-, Bundes- oder internationale Turniere, um das Potenzial der eigenen Taekwondoin herauszukitzeln und sie erfolgreich hervorzubringen.

LWZ: Worauf liegt bei Ihrem Training der Schwerpunkt?
Zagorny: Für mich als Trainer ist es entscheidend, dass man Talente so früh wie möglich fördert, aber die übrigen Taekwondoin nicht vernachlässigt. Momentan richtet sich unser Leistungsgedanke beziehungsweise unser Hauptaugenmerk mehr auf den Poomsae-Lauf (Technik), ähnlich der Kata im Karate, leider ist dieser noch nicht olympisch.

LWZ: Was unterscheidet Taekwondo von anderen Kampfsportarten? Was zeichnet Taekwondo besonders aus?
Zagorny: Im Gegensatz zu anderen Kampfsportarten, die sich oft stark auf Handtechniken konzentrieren, lebt Taekwondo von der Schnelligkeit, der Dynamik und der Präzision der überwiegenden Beinarbeit. Es kann von Menschen jeden Alters zur Selbstverteidigung oder auch als Wettkampfsport (Kampf oder Technik) oder sogar als reiner Fitnesssport betrieben werden. Kurz gesagt, es ist einfach cool.

LWZ: Noch eine abschließende Frage: Wie sehen Ihre Pläne für die kommenden Jahre aus? Welche persönlichen Ziele haben Sie?
Zagorny: Wo soll man da nur anfangen? Da gibt es einige: zum Beispiel weitere Dan-Träger ausbilden, die Abteilung weiter ausbauen und noch einige Siege mit meinen Taekwondoin einfahren. Ehrlich gesagt, es gibt immer etwas. Schauen wir doch in fünf Jahren mal nach, was sich seit diesem Zeitpunkt getan hat.


Das Gespräch führte Yves Brummel.