Kreis Lippe/Lemgo. Schon als Kind wusste Lukas Zerbe genau: „Ich möchte Handballer werden und beim TBV Lemgo-Lippe spielen!“ Diese Ziele hat der heute 27-Jährige längst erreicht. In der Saison 2015/16 gab er sein Bundesliga-Debüt, seit 2018 steht der rechte Außenspieler, nach einer zwischenzeitlichen Leihe zum TuS Ferndorf, wieder für den TBV auf der Platte und spielt in der Handball-Bundesliga.
Nachdem ihm in der Saison 2020/21 mit 92 Treffern in 34 Spielen der Durchbruch gelungen war, bestritt Zerbe im September 2021 sein erstes Europapokalspiel und feierte kurz drauf sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. Bei der Heim-EM gehört Zerbe, genauso wie sein TBV-Mannschaftskollege Tim Suton, dem erweiterten Kader an. Während der Turnierphasen Vor-, Haupt- und Finalrunde können jeweils zwei Wechsel mit Spielern aus diesem Aufgebot vorgenommen werden. Die LWZ hat den gebürtigen Lemgoer zum exklusiven Gespräch im Vorfeld der EM getroffen.
LIPPISCHE WOCHENZEITUNG (LWZ): Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen! Erzählen Sie doch zunächst einmal, wie Sie zum Handball gekommen sind und ob es schon immer Ihr Ziel war, Profi zu werden.
Lukas Zerbe: Meine Familie hat mich diesbezüglich stark geprägt. Die meisten kennen sicherlich meinen Onkel Volker Zerbe, der 2004 Handball-Europameister geworden ist und sehr erfolgreich für den TBV gespielt hat. Aber auch mein Papa und mein Opa waren dem Sport sehr verbunden und haben mich sehr früh mit in die Handballhallen genommen. Zudem liebe ich den Handball als Sport. Dem Zuschauer ist immer Spannung und Spektakel geboten und auch als Spieler macht es einfach Spaß. Es ist eine schöne Kombination aus Dynamik, Spielwitz und dem Zusammenspiel vieler verschiedener Spielertypen, die harmonieren müssen. Dass ich Profi werden wollte, wusste ich somit schon früh. Ich habe meinem Onkel oft zugeschaut und durfte sogar einmal mit ihm einlaufen – spätestens dann war mir klar, dass ich eines Tages auch selbst als Spieler für den TBV auflaufen möchte.
LWZ: Sie wechseln in der kommenden Saison nach Kiel – ist Ihnen die Entscheidung schwergefallen?
Zerbe: Definitiv. Es ist ein riesiges Privileg hier in meiner Heimat – wo ich aufgewachsen bin und meine Familie lebt – auf so hohem Niveau spielen zu dürfen. Nicht viele können behaupten, mit ihrem Heimatverein in der Bundesliga zu spielen. Auf der anderen Seite ruft der THW Kiel nicht jeden Tag an. Ich bin im besten Alter, um nochmal etwas Neues auszuprobieren und in Kiel habe ich die Möglichkeit, tagtäglich mit den Besten zu trainieren und auf allerhöchstem Niveau um Titel zu spielen. Somit fühlt es sich zum jetzigen Zeitpunkt als die richtige Entscheidung an – auch wenn sie nicht leicht war. Ich habe dem TBV extrem viel zu verdanken!
LWZ: Sie haben schon eine beeindruckende Karriere hingelegt, gibt es für Sie einen „schönsten Moment“ bisher?
Zerbe: Da gibt es viele. Natürlich gehören zum Beispiel der Pokalgewinn oder die Europapokalspiele inklusive der Auswärtsreisen dazu. Aber auch bestimmte Meilensteine wie mein erstes Bundesligaspiel oder -tor. Ein besonderes Highlight war natürlich auch mein Debüt für die deutsche Nationalmannschaft. Als Kind habe ich noch vor dem Fernseher die Hymne mitgesungen und davon geträumt, selbst einmal für Deutschland zu spielen. Teil der Nationalmannschaft zu sein, ist denke ich für jeden Handballer das Größte. Als ich vor zwei Jahren mein Debüt im Testspiel gegen Portugal geben durfte, konnte ich mir diesen Traum erfüllen. Jedes Spiel für Deutschland ist eine besondere Ehre.
LWZ: Erinnern Sie sich noch daran, was Sie gemacht und gedacht haben, als Sie zum ersten Mal für die Nationalmannschaft berufen wurden?
Zerbe: Ja, daran erinnere ich mich noch genau. Das war im September 2021, ich war gerade mit dem TBV am Flughafen, um für das Qualifikationsspiel der Europa League nach Island zu fliegen. Als ich auf mein Gepäck gewartet habe, habe ich meine Mails gecheckt und die offizielle Einladung für den Lehrgang und damit auch die zwei Länderspiele gesehen. Ich kam aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Als Erstes habe ich meine Eltern und Freundin angerufen, aber auch meine Mannschaftskollegen haben sich sehr mit mir gefreut und mich beglückwünscht. Das ist ein Moment, den ich nie vergessen werde!
LWZ: Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die kommende EM?
Zerbe: Ich durfte ja bereits bei einer EM und einer WM dabei sein, das ist wirklich ein besonderes Gefühl. Im Turnier hat die Mannschaft natürlich immer das Ziel, erfolgreich zu sein – gemessen an den eigenen Zielen. Wichtig ist, in einen „Turnierflow“ zu kommen. Grundsätzlich hat der deutsche Kader die Qualität, jeden Gegner zu schlagen – natürlich muss dafür aber vieles zusammenkommen. Die Unterstützung der vielen deutschen Fans in den Hallen – zum Beispiel beim Eröffnungsspiel vor bis zu 55.000 Zuschauern – kann sicherlich ein entscheidender Vorteil sein. Ein Turnier im eigenen Land ist nochmal etwas Besonderes – sowohl für die Spieler als auch für die Fans. 2007 habe ich die Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland vor dem Fernseher verfolgt und kann mich noch gut an die entstandene Euphorie und die vollen Hallen erinnern. Ich freue mich darauf!
Das Interview führte LWZ-Reporterin Alina Knoerich.
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Alina Knoerich studiert Medienwissenschaften an der Universität Paderborn und war von 2020 bis 2022 Freie Redakteurin bei Lippe aktuell. Seit 2023 schreibt die gebürtige Detmolderin für die LWZ und berichtet besonders gerne über Sport sowie Musik, Kunst und Kultur im Detmolder Raum und darüber hinaus.