
Otto Martin (1887–1967) ist nicht nur ein von Gregor van den Boom wiederentdeckter Musiker und Lehrer, sondern zugleich jemand, dessen Biografie zurückführt in die beklemmenden Umstände der 1930er/1940er Jahre und eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte.
Obwohl der als Sohn jüdischer Eltern geborene Künstler und Komponist im Jahr 1924 zur evangelischen Kirche konvertiert war, verlor seine anerkannte Musikschularbeit aufgrund seiner Herkunft immer mehr an Zuspruch. Auch wenn es ihm gelang, den Betrieb zunächst aufrechtzuerhalten, konnte er dem planmäßigen Boykott durch das NS-Regime nichts entgegensetzen.
Trotz der großen Beliebtheit bei seinen Schülern und seiner künstlerischen Erfolge begann der unaufhaltsame Niedergang der Musikschule. Ab dem Jahr 1936 bestand für ihn Publizierungs- und Unterrichtsverbot – ein nicht zu stoppender Prozess, der von der Diskriminierung über die Ächtung zur Vertreibung, schließlich zur physischen Vernichtung jener führte, die sich dem Zugriff der Gewalt nicht rechtzeitig entzogen hatten und ihm nicht mehr entkommen konnten.
Indem Gregor van den Boom mit Otto Martin stellvertretend einem der vielen Künstler, die aufgrund von Flucht und Vertreibung, Zwangsmigration, Terror und Exil, politischer Verfolgung oder Ausgrenzung kein Forum gefunden haben, eine Stimme gibt, schafft er zugleich einen Dialograum zur Vermittlung der Werte einer pluralistisch-freiheitlichen Gesellschaft. Die Veröffentlichung des Streichquartetts, das der Welt knapp 100 Jahre vorenthalten wurde, schlägt einen Bogen zu aktuellen Themen und rückt zentrale Aspekte menschlichen Daseins in den Fokus.