Holocaust-Gedenktag: Lippe gedenkt NS-Opfer

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Die Zugschiene in das unermessliche Leid: Allein im Vernichtungslager Auschwitz ermordeten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen. Foto: Pixabay

Kreis Lippe. Der Holocaust. Die Schoah. Das dunkelste, unmenschlichste Kapitel deutsch-europäischer Geschichte. Um an die sechs Millionen Menschen zu erinnern, die durch das NS-Regime umgebracht wurden und an die vielen Millionen Seelen, die zwar nicht starben, doch auf ewig geschädigt wurden, jährt sich am 27. Januar der Holocaust-Gedenktag. Die Verbrechen des Nationalsozialismus spielten sich dabei nicht nur in den Konzentrationslagern und Ghettos ab, auch in jedem noch so kleinen Städtchen in Deutschland und den besetzen Gebieten mussten jüdische Menschen fürchten, leiden, und sterben.

Schon als die NSDAP im Jahre 1933 an die Macht kam, begann das Regime mit der Verfolgung und Ausgrenzung der jüdischen Gemeinde. Der Holocaust, die systematische Massenvernichtung unter industriellen Mitteln, entstand als Endprodukt einer kontinuierlich unmenschlicher werdenden Politik. Auch im Lipper Städtchen Barntrup spielten sich Tragödien ab, in denen jüdische Menschen die Leidtragenden waren und es auch heute noch sind.

Im Jahre 1933 lebten circa 17 Menschen jüdischen Glaubens in Barntrup, viele davon gehörten zu der Familie Katz. Ihre Erlebnisse sind historisch dokumentiert. So wie viele Juden Deutschlands erlebten sie schon bald nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler im Januar 1933 die ersten Vorfälle nationalsozialistischen Terrors. Im folgenden April organisierte die NSDAP einen landesweiten Boykott jüdischer Geschäfte, umgesetzt von SA und fanatischen Zivilisten.

Im Zuge dessen wurden an den Wohnhäusern und Gewerben der Familie Katz antisemitische Plakette aufgehängt. Dazu diffamierte die NS-nahe Zeitung „Lippischer Kurier“ die Familie namentlich und ohne Belege, weil sie angeblich Sponsoren des Marxismus seien. Trotz dessen versuchte die Familie Katz, ihr Leben entgegen den Repressalien der Nazis weiterzuleben. Zwei Jahre später veranlasste die Stadt ein Verbot für das Handelstreiben mit jüdischen Geschäften, wovon auch der Viehhandel der Familie stark getroffen wurde.

Die nächsten Schicksalsschläge ließen nicht lange auf sich warten. 1937 wurde Rudolf Katz wegen des „Verbrechens“ der Rassenschande zu 15 Monaten Haft verurteilt. Die Begründung: Er habe eine junge deutsche Frau auf einen Spaziergang eingeladen. Eine weitere Eskalation der Judenverfolgung im ganzen Reich brachte 1937 die Reichspogromnacht, der auch Familie Katz zum Opfer fiel. Auf die Wohnung von Rudolfs Vater Hugo wurde ein Brandanschlag verübt, ein beträchtlicher Teil von Besitz und Mobiliar fielen den Flammen zum Opfer. Mit dieser weiteren Eskalation war der Wille, weiterhin in Barntrup zu leben, bei einigen der Katzes gebrochen. Salli, der Bruder von Rudolf, etwa verließ die Stadt. Die Brüder Max und Bruno flohen 1939 nach Shanghai, von wo aus sie in die USA emigrierten.

Nach 1940 ist nur noch der Verbleib der Witwe Julie Katz und von Helene Katz in Barntrup nachvollziehbar. Die beiden Frauen verschleppten die Nazis 1942 aus ihren Häusern in das Konzentrationslager Theresienstadt, von wo aus sie im Folgejahr in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden. Dort fanden sie, wie mehr als eine Million weitere Menschen, den gewaltsamen Tod.

Die Schicksale der Frauen Julie und Helene Katz sind zwei individuelle Tragödien, deren Relevanz vor dem schieren Ausmaße des Holocaust oft vergessen wird, doch nicht vergessen werden darf. Sechs Millionen ermordete Menschen sind nicht ein großer Mord, sondern sechs Millionen einzelne Morde; hinter jedem steckt eine Geschichte, eine Seele, ein Kreis an Angehörigen und Geliebten, die die Schicksale ihrer Mitmenschen und Vorfahren nicht vergessen werden. Auch die Nachfolgegenerationen der Täter und Mittäter dürfen diese Tragödien niemals vergessen. (tnw)