900 Jahre Lippe/50 Jahre Kreis Lippe – Aus dem Leben eines „Beutelippers“

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Der alte Grenzstein zwischen dem Fürstentum Lippe und dem Freistaat Preußen ist in Bad Salzuflen an der Ecke Vlothoer Straße/Pehlen zu sehen. Foto: Pairan

Kreis Lippe. Ich gestehe es – ich bin nicht dort geboren, sondern erst im Erwachsenenalter nach Lippe gekommen! Als ich meine heutige Frau im Urlaub kennenlernte, sagte sie mir, dass sie aus Detmold kommen würde. Nach dem Urlaub musste ich zuhause erst einmal in meinem alten Schulatlas nachsehen, wo Detmold überhaupt liegt. Vor 40 Jahren gab es eben noch kein Internet oder Google-Maps.

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Ich bin im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen und hatte einige Jahre von Haustür zu Haustür 255 Kilometer zurückzulegen. Nach ihrer Ausbildung zog meine jetzige Frau zu mir, wir heirateten und dann kam das erste Kind. Eine größere Wohnung war nötig und die Mieten im Rhein-Main-Gebiet waren auch vor 30 Jahren gut doppelt so hoch wie in Lippe.

So wechselten wir den Wohnort und ich wurde „Beutelipper“. Was mir schon bei den vielen Besuchen zuvor aufgefallen war: Die Fahrweise mit dem Auto ist eine andere. Wenn man im Rhein-Main-Gebiet eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 Kilometer pro Stunde hat, fährt man dort mindestens 80.

In Lippe bewegt man sich unter den gleichen Umständen höchstens mit 65 Kilometern pro Stunde. Kommt der Autofahrer im Rhein-Main-Gebiet an eine grüne Ampel, gibt er Gas – damit er noch rüberkommt. Kommt der lippische Autofahrer an eine grüne Ampel, fängt er schon einmal an zu bremsen, denn sie könnte ja bald rot werden.

Und es gab seltsame Bräuche in Lippe, die für jedermann selbstverständlich waren: Schützenfeste mit einem Umzug, so etwas kannte ich bisher nur aus kitschigen Heimatromanen.

An den Pickert konnte ich mich schnell gewöhnen (aber bitte OHNE Rosinen), bis die (gebratene) Kohlwurst im Grünkohl mir schmeckte, vergingen tatsächlich Jahrzehnte.

Wenn von „Reinholdi“, „Libori“ oder „Wilbasen“ die Rede war, dachte ich an Ortsteile von mir unbekannten Städten. Jerxen-Orbke war eher ein Zungenbrecher, denn ein Wohngebiet.

Dass ich früher immer vom Teutoburger „Regen“-Wald gesprochen hatte, weil mir der viele Niederschlag auf die Nerven ging, ist mir heutzutage ein Rätsel – habe ich mich daran gewöhnt, oder ist der Regen tatsächlich weniger geworden?

Tatsache für mich als Außenstehender bleibt aber, dass Arminius Varus mitsamt den römischen Legionen damals nicht etwa im Kampf besiegt hatte, sondern die südeuropäischen Soldaten nach drei Monaten Regen, Schlamm und Kälte sich lieber haben töten lassen, als das noch länger ertragen zu müssen. Kollektiver Selbstmord durch den Feind?

Dass die heutigen Lipper ausgesprochen sparsam wären, ja sogar geizig, das fiel und fällt mir nicht besonders auf. Als junger Familienvater und Selbständiger in der schreibenden Zunft war das Geld ohnehin nicht dick gesät.

Doch Dank der Kinder hatte ich schnell Kontakt, erst zu anderen Eltern, dann über verschiedene Vereine und deren Aktivitäten auch an anderen Stellen. Freundschaften entstanden, die mittlerweile schon Jahrzehnte halten und die ich nicht missen möchte.

Auch auf den Teutoburger Wald möchte ich nicht mehr verzichten – auf die vielen schönen Wege und Pfade, die ich schon zu Fuß oder mit dem Mountainbike erkundet habe. Und wenn wir einmal Besuch von außerhalb bekommen, dann zeige ich gerne das Hermannsdenkmal und die Externsteine, weil das meine Heimat geworden ist. (rp)

 

 

 

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