Zeitumstellung: Darum müssten Polen und Spanien die Zeitzone wechseln

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Professor Dr. Korbinian von Blanckenburg, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der TH OWL, hält eine Neuerung bei der Zeitumstellung für längst überfällig. Foto: TH OWL

Kreis Lippe. Eigentlich sollte die von vielen als zumindest lästig empfundene Zeitumstellung längst passé sein, wie Professor Dr. Korbinian von Blanckenburg, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL), berichtet.

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Doch es ist ein bisschen wie in der Hollywood-Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Am Sonntag, 31. März, werden die Uhren in der Nacht von 2 auf 3 Uhr einmal mehr vorgestellt, und wir haben wieder Sommerzeit. Dabei gäbe es eine interessante Lösung, wie der Wissenschaftler betont.

Eigentlich hatte sich das EU-Parlament 2019 mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, die 1980 erneut eingeführte Zeitumstellung abzuschaffen. Doch wann und ob dies geschieht, steht derzeit noch nicht mal auf der Sonnenuhr. Das hat einerseits mit der großen europäischen Zeitzone zu tun, die vom Westen Spaniens bis zur Ostgrenze Polens reicht, andererseits damit, dass man sich entweder auf eine einheitliche Sommer- oder eben Winter- beziehungsweise Normalzeit verständigen müsste.

„Genau das ist der Knackpunkt“, wie Professor von Blanckenburg erläutert: „Bei ganzjähriger Normal- beziehungsweise Winterzeit hätten wir zur Sommersonnenwende Mitte Juni in Ostpolen von 3 bis 20 Uhr Sonne, in Westspanien von 6 bis 21.30 Uhr.“ Doch wohl nur wenige Menschen würden sich über Sonnenlicht um 3 Uhr in der Früh freuen.

Die Sache ist vertrackt. „Sehen wir uns als einmal das andere Extrem an: Würde man sich auf die Sommerzeit als neuen Standard festlegen, hätte man zur Wintersonnenwende Mitte Dezember in Westspanien Sonne von circa 10 bis 19 Uhr. In Deutschland von 9.15 Uhr bis 17 Uhr. Der späte Sonnenaufgang wird dabei von vielen Menschen als nicht optimal empfunden.“

Geringe Wirkung

Die Zeitumstellung war vor nunmehr 44 Jahren als Nachwirkung der Energiekrise eingeführt worden, um Strom zu sparen. „Wir haben herausgefunden, dass Privathaushalte durch die Umstellung auf Sommerzeit tatsächlich weniger Strom verbrauchen. Doch die Wirkung ist gering. Privathaushalte verbrauchen am meisten Strom nach Feierabend. Morgens ist der Stromverbrauch hingegen das ganze Jahr über relativ konstant, da in der Frühstückszeit Toaster oder Kaffeemaschinen so oder so benutzt werden“, erklärt von Blanckenburg.

Einen größeren Effekt habe die Freizeitgestaltung: „Die Menschen sind länger draußen, wenn es länger hell ist, sitzen auf dem Balkon oder der Terrasse oder drehen noch eine Runde um den See, anstatt den Fernseher anzumachen.“ In der Sommerzeit, berichtet der Experte der TH OWL, werde also tatsächlich weniger Strom verbraucht.

Korbinian von Blanckenburg betont: „In der Bundesrepublik sind es nach unseren Berechnungen 0,8 Prozent. Bei den derzeitigen Strompreisen kommen so 600 bis 700 Millionen Euro jährlich zusammen. Bei einer Familie mit drei Kindern läge damit die Ersparnis bei nur rund 12 Euro pro Jahr. Setzt man dies ins Verhältnis zu den negativen Folgen der Zeitumstellung – etwa Biorhythmus, Schlafzyklen – wird die Stromersparnis wohl weitestgehend relativiert. Würde die Sommerzeit auf das ganze Jahr ausgedehnt werden, sparten Haushalte in Deutschland immerhin rund 1,3 Prozent Strom gegenüber der ganzjährigen Winterzeit ein. Die Sommerzeit im Winter hätte also einen zusätzlichen Effekt von etwa 0,5 Prozent.“

Ganzjährige Winterzeit in der Bundesrepublik?

Oder anders gesagt: Orientiert man sich nicht an der maximalen Stromersparnis, sondern wie nah der Sonnenstand um 12 Uhr mittags tatsächlich am Zenit ist, wäre für Deutschland die ganzjährige Winterzeit am besten. „Das bedeutet für Polen allerdings wie oben beschrieben, dass dort die Sonne im Sommer sehr früh und in Spanien im Winter recht spät aufgehen würde“, resümiert von Blanckenburg.

Sein Lösungsvorschlag: „Wir brauchen eine Neusortierung der Zeitzonen. Länder östlich von Deutschland wechseln in die Zeitzone ‚GMT +2‘. Und Spanien wechselt in die ‚GMT‘ und wäre damit in derselben Zeitzone wie Portugal oder Großbritannien. Dann hätte man das Problem nicht, dass eine ganzjährige Sommer- oder Winterzeit die Spanier so extrem treffen würde.“

Resultat der Neusortierung wäre, dass am 21. Juni in Ostpolen die Sonne von 4 bis 21 Uhr zu sehen wäre, am 21. Dezember von 8.30 bis 16 Uhr. Deutschland hätte zum Stichtag 21. Juni Sonne von 4 bis 20.30 Uhr und am 21. Dezember von 8.15 bis 16 Uhr. In Spanien würde am 21. Juni gelten: Sonne von 5 bis 20.30 Uhr sowie am 21. Dezember von 8 bis 17 Uhr.

„Wann und ob eine Neuregelung kommt, kann ich natürlich nicht sagen. Aber wie man es auch dreht und wendet, sie ist längst überfällig“, resümiert Professor Korbinian von Blanckenburg. (lwz)

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