Kritik von allen Seiten: Ausfall der Eurobahn-Linie RE 82 in Lippe

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Symbolbild. Foto: Adobe Stock

Kreis Lippe. Die Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) bedauert den De-facto-Ausfall der Eurobahn-Linie RE 82. Damit fehlt nach Meinung der IHK Lippe für die Verbindung zwischen Lippe und dem Oberzentrum Bielefeld die wichtigste Alternative zum Auto.

Das habe nicht nur massive Konsequenzen für Schüler und Berufspendler, sondern auch für die Anschlüsse an den Schienenfernverkehr. Angesichts der großen Personalprobleme bei der Eurobahn bezweifelt die IHK Lippe, dass die Situation nur bis zum 5. Juli anhält, wie von dem Unternehmen angekündigt.

„Die attraktive Direktverbindung nach Bielefeld, aber auch Richtung Süden nach Altenbeken ist ein Kernstück unserer Schienenanbindung. Der Wegfall trifft Lippe und damit auch die regionale Wirtschaft sehr hart“, macht der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Henkel deutlich – und fordert eine schnelle Ersatzlösung.

Angesichts der bereits länger anhaltenden Probleme beim regionalen Schienennahverkehr, aber auch beim Fernverkehr fürchtet die IHK Lippe, dass die Kundschaft dauerhaft von der Schiene auf die Straße zurückwechselt. Damit sei auch die von der Wirtschaft unterstützte Mobilitätswende stark gefährdet.

„Wer von der Eisenbahn lange genug enttäuscht wurde, ist irgendwann wieder beim Auto“, schildert Andreas Henkel die Realität. Nicht nur Pendler, sondern auch Geschäftsreisende seien auf eine verbindliche Reiseplanung angewiesen. Und die sei auf der Schiene schon länger nicht mehr möglich. „Trotz maroder Brücken, Straßen und Staus sind viele Menschen längst wieder beim Auto angelangt – teils auch gegen ihre Überzeugung.“

Vor dem Hintergrund fragt die IHK Lippe auch in Richtung Politik, warum nicht längst gegengesteuert wurde. Das gelte nicht nur für notleidende Verkehrsunternehmen, sondern auch für die gesamte Infrastruktur und das Material.

In Deutschland sei jahrelang auf Verschleiß gefahren worden. Strecken, Technik und Züge seien bei weitem nicht auf dem neuesten Stand, kritisiert die IHK. Und der Versuch, das ganze System auch mit Neubauten wie der geplanten ICE-Trasse zwischen Bielefeld und Hannover zu beschleunigen, werde ebenfalls massiv bekämpft und verzögert.

„So bekommen wir die Verkehrswende auch in 30 Jahren noch nicht hin“, kritisiert Henkel. „Mit Reden allein kommen wir nicht weiter. Die Politik muss dringend Geld in die Hand nehmen und Planungen beschleunigen“, fordert der IHK-Mann.

Kurzfristig müsse eine kollektive Anstrengung unternommen werden, den aktuellen Wegfall der Verbindung zu kompensieren, etwa durch eine Schnellbusverbindung. Daran müssten die Eurobahn, der Zweckverband NWL und die Landespolitik gemeinsam arbeiten.

Stadt Horn-Bad Meinberg enttäuscht über gestrichene Zugverbindungen der Eurobahn

Die Eurobahn hat kürzlich mitgeteilt, dass ab dem 08. April der Verkehr auf der Linie RE 82 „Der Leineweber“ entfällt. Als Grund führt sie den Fachkräftemangel an. Über die Linie ist der Bahnhof Horn direkt mit Altenbeken und Bielefeld verbunden.

Das Leistungsangebot beschränkt sich künftig auf die Parallelverkehre der Linien RB 72 und RB 73. Hierdurch entstehen stärkere Frequentierungen dieser Linien sowie längere Fahrzeiten, die aus den zusätzlichen Umstiegen in Lage oder Herford resultieren.

Die Linie RB 72 verbindet als Ostwestfalen-Bahn Herford und Paderborn und fährt die Bahnhöfe Horn und Leopoldstal in Horn-Bad Meinberg an.

Stadt Detmold sieht Verkehrswende bedroht

„Die Stadt Detmold unternimmt in ihrem Zuständigkeitsbereich intensive Bemühungen, die Verkehrswende voranzutreiben. Unsere Stadtbuslinien werden mit modernen Fahrzeugen in dichtem Takt bedient, demnächst sogar mit den ersten zehn elektrischen Bussen. Dazu kommen attraktive Tarifangebote wie das Detmold-Abo für einen Euro pro Tag oder auch sehr günstige Schülerkarten. Die 4,5 Millionen Fahrgäste jährlich allein in unserem Stadtbus geben uns recht“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt.

Nun werde allerdings der Erfolg all dieser Initiativen schmerzhaft durch Entscheidungen von außen infrage gestellt. „Ohne dass es im Vorfeld in irgendeiner Form eine Abstimmung zwischen dem für den Schienenverkehr zuständigen Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und der Stadt gegeben hätte, erfahren wir ganz kurzfristig aus den Medien, dass die für uns so wichtige Zugverbindung des RE 82 ersatzlos bis auf einzelne Fahrten eingestellt wird“, heißt es weiter.

Die Eurobahn sei mindestens vertraglich verpflichtet, den Verkehr auftragsgemäß durchzuführen. Der NWL, Besteller der Verkehre und Vertragspartner der Eurobahn, als Zusammenschluss von Zweckverbänden, gesteuert durch Vertreter der Kreise und kreisfreien Städte, habe laut Tagespresse offenbar entschieden, diese dauerhaften Nichtleistungen aus dem Vertrag nicht abzustrafen.

Sich vom Verkehrsunternehmen vor vollendete Tatsachen stellen zu lassen und diese erheblichen Qualitätsminderungen einfach hinzunehmen, sei aus Detmolder Sicht vollkommen unverständlich.

„Wir sind hier als Oberzentrum in Lippe stark betroffen, ohne mitreden zu dürfen. Die Detmolder Interessen werden im NWL offenbar nicht vertreten“, betont die Stadt.

Der RE 82 Bielefeld-Detmold-Altenbeken hat Detmold bisher stündlich direkt mit den wichtigen Umsteigeknoten in Altenbeken und Bielefeld verbunden. Das Oberzentrum Bielefeld, das für ganz Ostwestfalen fundamentale Bedeutung hat, konnte von Detmold aus bisher in 31 Minuten umsteigefrei erreicht werden.

Zusammen mit der Regionalbahn-Linie Herford-Paderborn wurden so in jede Richtung zwei Abfahrten pro Stunde angeboten. Der Wegfall der Zugverbindung des RE 82 könne durch die Regionalbahn nicht wettgemacht werden, erklärt die Stadt Detmold.

„Anschlüsse vom Zug auf den Bus am Bahnhof in Detmold passen nicht mehr, Bielefeld mit zahlreichen Arbeitsplätzen und Bildungseinrichtungen kann nur noch mit Umsteigen mit einer Fahrzeit von rund 45 Minuten erreicht werden, und an den Knotenbahnhöfen verlängern sich die Umsteigezeiten um bis zu 20 Minuten“, heißt es weiter.

In Altenbeken etwa muss auf den RRX, der Kassel und den Fernverkehr Richtung Süden anbindet, nun 34 Minuten gewartet werden – 20 Minuten länger als bisher.

Rat und Verwaltung sowie die Stadtverkehrsgesellschaft SVD seien zutiefst erschüttert, dass sie als Zentrum des gesamten Kreises Lippe und Sitz einer innovativen Industrie, der Verwaltung von Kreis und Bezirksregierung sowie als bedeutende Einkaufs- und gerne besuchte Tourismusdestination derartig vom Schienenverkehr abgehängt werden.

Nach jahrelang anhaltenden massiven Qualitätsproblemen im Schienenverkehr sei mit diesem Schritt ein Tiefpunkt bei der Erreichbarkeit unserer Stadt erreicht. „Etliche Zuschriften von Bürgern bestärken uns in unserer Haltung. Wir protestieren aufs Schärfste und verlangen die Wiederherstellung des vollständigen Fahrtangebotes durch die Eurobahn. Daher erwarten wir, dass der Kreis Lippe stellvertretend für die Detmolder das Thema gebündelt aufnimmt und entsprechende Gespräche mit dem Nahverkehrsverbund führt.“

Stadt Horn-Bad Meinberg erschüttert

Die Stadt Horn-Bad Meinberg ist laut eigener Aussage erschüttert, dass mit der Einstellung der RE 82 eine der beiden wichtigen Bahnverbindungen für die Stadt wegfällt. In Vertretung des erkrankten Bürgermeisters hat daher Kämmerer Tim Sölter mit der Eurobahn Kontakt aufgenommen. Dort wurde versichert, dass daran gearbeitet werde, den Mangel an Lokführern schnellstmöglich zu beheben und neue Lokführer auszubilden.

Zuspruch für die Forderung der Reaktivierung erhält die Stadt durch die Fachgruppe Umwelt, Verkehr und Mobilität der Blinden- und Sehbehindertenvereine NRW. Fachgruppenleiterin Angelika Wohlgemuth äußert ihren Unmut über die Streichung der Zugverbindung.

Der Wegfall der umstiegsfreien Verbindung nach Bielefeld sei für Pendler nicht nur eine Verzögerung, sondern für die Menschen, die sie vertritt, auch eine Belastung durch weitere Barrieren, die geschaffen werden. Eine direkte Verbindung zwischen Horn-Bad Meinberg und Bielefeld hält sie für essenziell. (lwz)