Verfassungsschutzbericht 2023: Extremismus in NRW nimmt zu

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Symbolbild. Foto: Adobe Stock

Düsseldorf. NRW-Innenminister Herbert Reul hat am Donnerstag, 18. April, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 vorgestellt. Auf rund 400 Seiten hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz die Gefahren für die Extremismusbereiche beschrieben, die die deutsche Demokratie bedrohen.

Ob Islamismus, Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Spionage die Bedrohungslage in den jeweiligen Bereichen war so hoch wie nie zuvor. Diese Entwicklung zeigte sich auch in den Zahlen der politisch motivierten Kriminalität, die in fast allen Extremismusbereichen anstieg.

Minister Herbert Reul: „75 Jahre nach Verabschiedung unseres Grundgesetzes, dem Fundament unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ist die Bedrohung durch Extremismus für unsere Demokratie höher als je zuvor.“

Das sei eine Entwicklung, die sehr ernst genommen werden müsse. Reul weiter: „Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die jeden Tag daran arbeiten, unser freies Zusammenleben zu schützen. Lassen Sie uns unsere Demokratie zusammenhalten. Das gilt auch für jede Bürgerin und jeden Bürger. Denn das Wort Demokratie meint uns alle.“

Antisemitismus

Beim Blick auf das Jahr 2023 ragte der 7. Oktober heraus: die Terroranschläge gegen den Staat Israel. Minister Reul hebt hervor: „Aus Sicht des Verfassungsschutzes war dies ein entscheidender Tag für Entwicklungen in unserem Land, die uns sorgen müssen.“

Extremisten hätten sich zu Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden vereint. Antisemitismus sei mit seiner hässlichen Fratze auf unsere Straßen zurückgekehrt, erklärt Reul. Extremisten verschiedener ideologischer Prägungen würden den Terroranschlag gegen den Staat Israel dazu nutzen, ihre Anhänger zu mobilisieren und scharfe Botschaften in noch kürzeren Frequenzen zu senden.

„Wir müssen jeden Antisemitismus im Keim ersticken und wo immer es geht, darüber aufklären“, betont der Innenminister.

Im Bereich Antisemitismus haben die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr 547 antisemitische Straftaten registriert. Das ist eine deutliche Steigerung um 65 Prozent zum Vorjahr (2022: 106). Der Anstieg ist auf das hohe Aufkommen antisemitischer Straftaten seit den Terroranschlägen gegen den Staat Israel zurückzuführen. In den meisten Fällen ging es um Volksverhetzung (296), um Propagandadelikte (72) und Sachbeschädigungen (75).

Innenminister Reul mahnt: „Antisemitismus gibt es in jedem Extremismusbereich und ist Teil der extremistischen Ideologien. Der Verfassungsschutz deckt diese antisemitischen Narrative auf und informiert über alle Facetten. Das ist ein unverzichtbarer Beitrag, Antisemitismus zu bekämpfen. Der darf nie wieder Platz in Deutschland haben. Jüdinnen und Juden gehören zu unserem Land, wie Goethe und das Grundgesetz. Antisemitismus gehört nicht dazu. Dafür setze ich mich immer ein. Lassen Sie uns das alle tun.“

Anstieg der Straftaten

In fast allen Bereichen links, rechts, ausländische und religiöse Ideologie gab es laut des Berichts einen Anstieg der Straftaten. 2023 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 7.596 politisch motivierte Straftaten erfasst. Das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme um 15 Prozent (2022: 8.948).

Der Rückgang resultierte größtenteils aus weniger Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, da weitestgehend keine unangemeldeten Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen mehr stattfanden.

Gewaltdelikte sind um 37 Prozent gestiegen (541). Die Aufklärungsquote lag insgesamt bei rund 41 Prozent (3.110). Damit wurden 335 Delikte mehr als 2022 aufgeklärt.

Islamismus

Der Verfassungsschutz beobachtet zudem, dass das Internet weiter eine zunehmende Rolle bei der Radikalisierung spielt. Minister Herbert Reul: „Das Internet ist zur Spielwiese der Extremisten und Menschenfänger geworden. Nie war es leichter, Ideologien zu verbreiten, Propaganda für die eigene Sache zu machen und damit unzählige Menschen zu erreichen.“

Insbesondere im Bereich des Islamismus nimmt der Verfassungsschutz rege Aktivitäten von sogenannten Hasspredigern wahr. Dies kann zu einer Stärkung der salafistischen Szene und ihrer Anhängerzahlen führen und bereitet den Boden für die Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen. „Der Islamismus ist wieder auf dem Vormarsch. Dem gilt es, mit der ganzen Härte und Konsequenz des Rechtsstaats entgegenzutreten“, so Reul.

Tatort Internet

Auch Straftaten werden zunehmend im Netz begangen. Im Verfassungsschutzbericht 2023 wurde zum ersten Mal gesondert der Bereich „Tatmittel Internet“ angeführt. Mit mehr als 70 Prozent gab es einen erheblichen Anstieg der Taten, die im Netz stattfanden. 1.859 Fälle wurden registriert (2022: 1.091). Bei knapp 400 Straftaten, die im Internet passierten, handelte es sich um Hasskriminalität von rechts.

Rechtsextremismus

Im Jahr 2023 hat der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz 3.549 Straftaten im Bereich Rechtsextremismus erfasst (2022: 3.453). Etwa 77 Prozent der Straftaten waren Propagandadelikte und Volksverhetzung. 116 Gewaltdelikte im Bereich Rechtsextremismus wurden erfasst (2022: 117).

Minister Reul betont: „Ich bin froh, dass der Verfassungsschutz die Jugendorganisation der AfD Nordrhein-Westfalen jetzt in den Blick genommen hat. Wer sein eigenes das rechtsextremistische Regelwerk vorzieht, ist Demokratiefeind. Uns muss bewusst sein, dass der Rechtsextremismus spalten will. Mit seiner menschenverachtenden Ideologie ist er schleichendes Gift für unsere Gesellschaft. Lassen Sie uns alle genau hinhören, wenn die Töne von rechts schriller werden und dann lauter sein als die, die versuchen, Menschenhass in unseren Köpfen zu säen.“

Linksextremismus

2023 zählte der Verfassungsschutz 1.097 Straftaten, die dem Linksextremismus zuzuordnen sind (2022: 824). Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 33 Prozent. Die meisten Straftaten (396) passierten im Zusammenhang mit den Protesten während der Räumung von Lützerath.

Religiös-motivierte Straftaten

Des Weiteren wurden insgesamt 305 Straftaten mit Bezug zu religiöser Ideologie erfasst. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um mehr als 400 Prozent (2022: 60). Die gestiegenen Fallzahlen hingen unmittelbar mit der Zuspitzung des Nahost-Konflikts seit den Terroranschlägen gegen den Staat Israel zusammen. In den meisten Fällen handelte es sich um Sachbeschädigung und Volksverhetzung.

Im Jahr 2023 wurden in Nordrhein-Westfalen 829 Straftaten im Phänomenbereich ausländische Ideologie erfasst (2022: 792). Die meisten Straftaten in diesem Bereich wurden im Oktober 2023 (257) registriert.

Spionage und Cyberangriffe

Spionage und Cyberangriffe stellt der Bericht als eine weitere große Gefahr für die Demokratie dar. Die Bedrohungen erreichten Nordrhein-Westfalen hybrid als Desinformation und Propaganda, in Form von Spionage, durch Cyberangriffe auf Kritische Infrastruktur, durch Staatsterrorismus und durch illegale Technologiebeschaffung. Die Nachrichtendienste aus Russland, China und dem Iran waren und sind dabei die Hauptakteure.

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen werde die Entwicklungen nach eigenen Aussagen in allen Extremismusbereichen weiter intensiv im Blick behalten und die Öffentlichkeit darüber aufklären. (lwz)