Angedacht: Timm Thaler und der Teufel

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Pastorin Sabine Hartung. Fotorechte: Sabine Hartung

Das Licht geht aus. Es wird dunkel im Saal. Klasse acht spielt heute Abend die letzte Aufführung ihres Klassenspieles. Ein Trauerzug tritt still vor den Vorhang. Das Spiel beginnt. Der 14-jährige Timm Thaler hat seinen Vater verloren.

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Seine Welt bricht zusammen. Seine Mutter ist überfordert. Die Familie kommt in finanzielle Not. Da betritt der Teufel die Bühne, gespielt von einer stylisch gekleideten jungen Dame. Eloquent und charmant wickelt sie Timm um ihren teuflischen Finger.

Er hängt am seidenen Faden ihrer Macht. Sie lässt ihn gleichsam wie eine willenlose Puppe um sich herum tanzen. Sie versetzt ihn, wohin sie es möchte. Er ist ihren Ideen willenlos ausgeliefert. Sie zeigt ihm die ganze Welt. Verschafft ihm Zugang in Etagen, die das Weltgeschäft bestimmen. Timm wird dabei immer unglücklicher.

Sein Lachen und seine Freunde fehlen ihm. Er hat sie verloren. Weil er um den Preis seines Lachens plötzlich jede Wette gewann. Und ihn das zutiefst veränderte. Timm hat sich verkauft. Timms Freunde kämpfen um ihn. Timm bekommt sein Lachen zurück. Treue und Freundschaft haben ihn der charmanten Teufelsdame entrissen.

Religionsstunde, Klasse acht. Wir reflektieren das Klassenspiel. Es gibt Wege im Leben, die kann ich nicht abkürzen. So verlockend mir die Abkürzung auch erscheint, sie führt mich nicht ans Ziel. Sie führt mich irgendwo ins Nirgendwo. Schule, das bedeutet: Irgendwann steht da ein Abschluss an.

Und wenn ich dahin möchte, dann muss ich Wüstenzeiten auf mich nehmen, Fehlversuche und Schwierigkeiten. Ich würde mir das gerne ersparen. Ich würde viel lieber dies oder jenes tun. Aber wenn ich ans Ziel möchte, dann muss ich mir das verkneifen. Und mich auch einmal durch unbequeme Zeiten und scheinbar langweilige Übungen hindurchbeißen.

In diesen Wüstenzeiten locken tausendfache Ablenkungen: Handys und Spiele, soziale Netzwerke, Serien und das bequeme Abhängen mit Kumpels. Surface. Mit einem Klick abstellen, was mich langweilt. Mit einem Wisch vom Bildschirm entfernen, was mich nervt. Wegklicken und wegwischen: Das geht im echten Leben nicht. Durch manches muss ich durch.

Denn die Abkürzung führt mich an mir selbst vorbei. Ohne die Treue seiner Freunde wäre Timm Thaler irgendwo fremdbestimmt im Nirgendwo angekommen. Die Bibel nennt dieses Nirgendwo „die Hölle“. Ich denke an Klasse acht. Sehe jeden und jede von ihnen vor mir.

Und ich ahne, wer von ihnen sich gerade in seiner eigenen Wüste durchbeißt. Ich werde für sie da sein. Damit sie ihre Widerstandskräfte in sich ausbilden können. Damit sie lernen: Aushalten und sich durchbeißen lohnt sich. Und an mühsamen Tagen werde ich den biblischen Jesus vor meinen inneren Augen haben.

Wie er dem Teufel in der Wüste widersteht, als seine Müdigkeit immer größer wird. Und es so einfach für ihn wäre, aus Steinen Brot für sich zu machen. Nein, wegwischen und wegklicken gilt nicht. Auch nicht für mich. Der treuste aller Freunde wird mich davor bewahren.

Seien Sie herzlichst gegrüßt und gestärkt für alle Wüstenbegleitungen, die für Sie anstehen,

Ihre Pastorin Sabine Hartung

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